Läuft Klassik im Hintergrund, greifen Konsumenten zu teureren Waren.
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Wien. Sanfte Klänge kommen aus den Lautsprechern, während die Kunden im Geschäft stöbern. Musik wird von Handelsunternehmen gezielt eingesetzt, um Kaufbereitschaft und Kaufverhalten zu beeinflussen. "Vorrangig soll Hintergrundmusik eine angenehme Atmosphäre schaffen. Ziel ist, dass Kunden mehr kaufen und länger im Geschäft verweilen", sagt Stephan Kolber, Geschäftsführer vom Tonstudio Gosh! Audio, das Hintergrundmusik für Geschäfte, Restaurants und Hotel-Bars und -Wellnessbereiche gestaltet.
Nahezu die Hälfte aller Kunden braucht nicht länger als fünf Minuten für einen Einkauf, hat der Mannheimer Professor Alexander Hennig herausgefunden. "Das gefällt den Händlern natürlich gar nicht", sagt er, denn in fünf Minuten werde aus deren Sicht bei weitem nicht genug gekauft.
Also beschalle man die Käufer mit Entspannungsmusik: 72 Basstöne entspreche dem Ruhepuls des Menschen. "Unbewusst bewegen wir uns langsamer", erklärt Hennig, der in seinem Buch "Zur Kasse, Schnäppchen!" Verkaufstricks der Händler zeigt. Bei klassischer Musik stufen Kunden demnach Produkte als höherwertig ein und greifen automatisch zu teureren Waren.
Hintergrundmusik (Ambient Sound) wird von Unternehmen bisher allerdings noch stiefmütterlich behandelt, sagt Kolber: "In der Beschallung steckt noch viel Potenzial." Für das Restaurant Yamm hat Gosh 16 Stunden Hintergrundmusik zusammengestellt, die auf die Tageszeit abgestimmt ist: von beschwingten Klängen zum Frühstück über flippige Musik am Nachmittag für Studenten bis zu ruhigerer Musik beim Abendessen. Die Beschallung wird in Abstimmung mit der Marketingabteilung auf Marke und Zielgruppe zugeschnitten: In Bioläden von Sonnentor wurde darauf geachtet, dass die Klänge natürlich wirken.
Rewe International betreibt seit 1994 das live moderierte Einkaufsradio Radio Max, über das bei Billa, Merkur, Bipa und Penny auch auf aktuelle Sonderangebote hingewiesen wird.
Disco-Lautstärke ist im Geschäft nicht erlaubt
"Hintergrundmusik darf nicht stören oder zu laut sein. Man kann wegschauen, aber nicht weghören", sagt Kolber. Ist die Musik im Geschäft zu laut, kann das zur Belastung für die Verkäufer werden. Die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) hat im Dezember 2011 im Geschäft von "Hollister" im Salzburger Einkaufszentrum Europark eine Lautstärke bis zu 90,1 Dezibel gemessen - die Musik gehört zum Konzept der US-Marke. Im Modegeschäft "Desigual" im Einkaufszentrum am Wiener Westbahnhof wurden mehr als 100 Dezibel erhoben. Diese Lautstärke entspricht etwa dem Lärm in Diskotheken oder eines Presslufthammers - die Gewerkschaft verlieh daher dem Unternehmen den Titel "Zwangsbeschaller des Jahres".
In Österreich erlaubt sind maximal 65 Dezibel in Räumen, in denen leichte Bürotätigkeiten oder vergleichbare Tätigkeiten ausgeübt werden - darunter fällt auch die Arbeit im Verkauf. In Räumen, in denen überwiegend geistige Tätigkeiten ausgeführt werden, darf die Lautstärke 50 Dezibel nicht überschreiten, wie die Verordnung Lärm und Vibrationen regelt.
Bereits bei 60 Dezibel können sich laut der Rechtsanwaltskanzlei Dorda Brugger Jordis Blutdruck oder Herzfrequenz merkbar verändern - der Lärm bewirkt Stress. Ab 80 Dezibel muss den Dienstnehmern ein Gehörschutz zur Verfügung gestellt werden.
Die Art der Musik können sich Mitarbeiter im Einzelhandel allerdings nicht aussuchen: Die Dauerschleife von Weihnachtsliedern in der Adventzeit müssen Verkäufer aushalten.