Handfeste Beweise vom Foto über das Auto bis zur Waffe. | Berlin. (dpa) Kratzer am Tresor, abgefräste Waffennummern oder gefälschte Autokennzeichen: Die Physiker unter den Kriminaltechnikern sind nicht zu unterschätzen. Denn auch ohne Fingerabdrücke oder DNA-Analysen gibt es Möglichkeiten, Täter mit handfesten Beweisen zu überführen. Einige davon hat Horst Katterwe, Physiker am Kriminaltechnischen Institut des Bundeskriminalamts (BKA), beim europäischen Physikerkongress in Berlin vorgestellt.
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"Das überrascht so manchen Täter, was wir alles nachweisen können", sagt Katterwe. Einmal hat er den Beleg dafür geliefert, dass in einem Fall von Kinderpornografie ein Polaroidfoto mit einer bestimmten Kamera geschossen wurde. "Derartige Kameras hinterlassen charakteristische Spuren auf der Oberfläche des Bildes", sagt er.
Wenn die Physiker des BKA Waffen untersuchen, geht es nicht nur um Läufe oder Projektile. Ein Waffenschieber, der sorgfältig die Nummer aus einer Pistole fräst und eine andere hineinstanzt, hat schlechte Chancen. Die Experten können feststellen, ob es eine andere Nummer gab - und auch wie sie aussah. "Beim Fräsen wird nicht nur die Oberfläche beschädigt, sondern auch das Metallinnere", erläutert Katterwe. Eine Folge seien etwa Kristallgitterfehler, die das Auge gar nicht wahrnehmen könne.
Ein Erhitzen der verdächtigen Metallflächen oder auch ein Belegen mit Magnetfeldern lasse den Schwindel auffliegen. Das sei angewandte Materialphysik, die auch so manchen Kollegen aus der Grundlagenforschung zum Staunen bringe. Sogar bei Kunststoffen, beispielsweise bei teurer Elektronik aus Hehlerware, funktioniert diese Kriminaltechnik. So lassen sich auch vormals eingravierte Namen bei gestohlenen Schmuckstücken wieder entdecken.
Retrokausales Denken
Einbrecher, bei denen Werkzeug gefunden wird, sollten wissen, dass die Physiker per Rasterelektronenmikroskop haargenau nachweisen können, ob dieses die Kratzer am Tresor verursacht hat - oder eben nicht. "Das schönste in diesem Beruf ist, wenn man eindeutige Aussagen machen kann", sagt Katterwe. Die Ergebnisse der Untersuchungen können einen Verdächtigen auch entlasten.
Es sei eine andere Art zu denken, die sich Physiker in der Kriminalistik angewöhnten, sagt Katterwe. Ein Physiker denke kausal. Zum Beispiel: Es hat geregnet. Darum ist die Straße nass. Er aber müsse anders denken, sozusagen retrokausal: Die Straße ist nass. Hat es geregnet? Oder kann es noch eine andere Ursache dafür geben?
Nachweisen lässt sich sogar, ob ein Autofahrer bei einem Unfall in der Dämmerung das Licht eingeschaltet hatte. Bruchstellen an beschädigten Scheinwerfern sehen anders aus, wenn vorher durch Licht Wärme erzeugt wurde: "Die Fädchen in den Glühbirnen brechen auf unterschiedliche Weise." Auch gefälschte Autokennzeichen sind kein Problem. Die Physiker können anhand der Prägetechnik sogar nachweisen, ob sie in einer verdächtigen Werkstatt hergestellt wurden. Weitere Felder werden von ihnen in Zusammenarbeit mit Chemikern und Informatikern abgedeckt.