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Wie realistisch TV-Anwälte sind

Von Dominik Herzog

Recht

Die kreativen Freiheiten in Serien wie "Suits" oder "Better Call Saul".


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Es ist gemeinhin bekannt, dass sich Fernsehserien gerne kreative Freiheiten nehmen. Allzu oft muss die Realität dem Unterhaltungswert weichen - die Ungläubigkeit setzt beim Zuschauer aus, um die Handlung und die Tricks findiger Protagonisten genießen zu können. So können Gerichtsprozesse, die in der Realität mehrere Jahre dauern würden, in Anwaltsserien wie "Suits" oder "Better Call Saul" innerhalb einer einzelnen Episode abgehandelt werden.

Gleichzeitig vermitteln diese Serien jedoch ein verzerrtes Bild der Anwaltstätigkeit, das nicht nur den unterschiedlichen Rechtssystemen der einzelnen Länder und der USA, wo die meisten dieser Serien produziert werden, geschuldet ist. Daher braucht es einem Realismus-Check.

Harvey Specter wäre in der Realität bald ohne Zulassung

So ist es zum Beispiel in der Realität unmöglich, ohne Examen oder Zulassung als Anwalt bei einer Kanzlei eingestellt zu werden. Genau dies passiert jedoch "Suits"-Protagonist Mike, als er zufällig in ein Vorstellungsgespräch bei Top-Anwalt Harvey Specter platzt. Tatsächlich hätte Letzterer sich selbst strafbar gemacht, sobald er den Protagonisten wissentlich bei seiner Täuschung unterstützt. Dies wäre im Übrigen recht schnell aufgefallen - immerhin haben Gerichte die Möglichkeit, Zulassungen bei der zuständigen Stelle nachzuprüfen.

Generell schneidet Überflieger Harvey, der in der Serie als einer der besten Kombinierer gilt, im Realismus-Check schlecht ab. Ein Fachanwalt hat zwar immer eine generalistische Ausbildung, kann aber nur Erfolge vermerken, wenn er sich eingehend mit der Problematik seines Gebiets befasst. Ein Tausendsassa wie Harvey, der neben dem Unternehmensrecht auch noch Strafrecht und Arbeitsrecht persönlich behandelt, würde sich so in einer "echten" Großkanzlei nicht finden.

Akquise nach Saul Goodman wäre so nicht möglich

Ein anderer fiktiver Anwaltskollege, Saul Goodman aus der Serie "Better Call Saul", ist zwar klar auf einen Bereich spezialisiert und hat eine Zulassung - jedoch geht auch er bei seiner Tätigkeit mit fragwürdigen Methoden vor. Fast wie ein Vertreter besucht der Titelcharakter in einer Episode ein Seniorenheim und bietet dort potenziellen Mandanten seine Unterstützung an.

Dies ginge in der Realität zu weit. Eine Direktansprache über Briefwerbung oder Rundschreiben ist zwar grundsätzlich möglich, jedoch darf der Anwalt immer nur informieren und muss dies in einer sachlichen, allgemeinen und berufsbezogenen Form tun. Er darf sich nicht aufdrängen, wie es Goodman in besagter Szene tut.

Daher ist auch die XXL-Plakatwerbung, die in "Better Call Saul" immer wieder zu sehen ist und auf der mit dem Gesicht des titelgebenden Anwalts Werbung gemacht wird, in dieser Form nicht immer erlaubt.

Schweigen ist Gold - auch wenn kein Geld fließt

Ein weiteres Thema, bei dem sich Saul Goodman einige Freiheiten nimmt, ist die Schweigepflicht. So vermittelt "Better Call Saul" den Eindruck, diese gelte erst, wenn ein Vertragsverhältnis zustande gekommen ist - sobald also mindestens ein Dollar für die Beratung bezahlt wurde, wie es in der Serie heißt. Auch das gibt es so in der Realität nicht. Sobald ein Anwalt im Rahmen seiner Tätigkeit Zugang zu Informationen hat, ist er zum Schweigen darüber verpflichtet, selbst wenn er den Mandanten letzten Endes unentgeltlich oder sogar in Form eines privaten Gefallens berät.

Honorar nur bei Erfolg ist meist nicht rechtens

Auch die Erfolgshonorare, mit denen Titelcharakter Saul gerne arbeitet, entsprechen nicht der Realität - zumindest nicht immer. So trifft er mitunter Vereinbarungen, die ihm eine Beteiligung an der Abfindungssumme zusichern, wenn sein Mandant den Prozess gewinnt. Grundsätzlich sind Erfolgshonorare für Anwälte auch in der Realität zwar möglich, allerdings nur in Sonderfällen und mit engen Grenzen.

In vielen Serien findet sich nach jeder Episode der Hinweis, es handle sich um ein fiktives Werk - nicht ohne Grund. Die Handlung und die einzelnen Fälle sind zwar durchaus auch für ein mit der Thematik vertrautes Publikum spannend, haben jedoch wenig mit der beruflichen Realität zu tun. Anwälte wie Harvey Specter und Saul Goodman hätten es mit ihren Methoden schwer, lange im Geschäft zu bleiben. Viele ihrer Ansätze sind zwar interessant, jedoch können echte Anwälte ähnliche Erfolge erzielen, ohne dabei den Rahmen der Legalität zu verlassen.

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