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Wie Russland die Republik Moldau von Europa wegboxen will

Politik

Geleaktes Strategiepapier gibt Einblick in Russlands Pläne mit der ehemaligen Sowjetrepublik.


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Ilhan Sor befindet sich zwar laut Medienberichten die meiste Zeit in Israel, doch ist er derzeit eine der zentralen Figuren der Politik in der Republik Moldau: Denn der schwerreiche Oppositionspolitiker soll hinter den Protesten stehen, die in der Hauptstadt Chisinau gegen die gestiegenen Lebenshaltungskosten sattfinden und bei denen zum Sturz der proeuropäischen Regierung aufgerufen wird.

Sor käme ein solch ein Szenario nur recht: Der Geschäftsmann und frühere Banker ist wegen des Verschwindens hunderter Millionen US-Dollar aus dem moldauischen Bankensystem zu einer Haftstrafe verurteilt worden - das Verfahren befindet sich gerade in Berufung. Darüber hinaus wird ihm aber vorgeworfen, das kleine 2,5-Millionen-Einwohner-Land im Interesse Russlands destabilisieren zu wollen. Laut "Washington Post" soll Sor auch bereits Millionen Dollar aus Moskau erhalten haben.

Dass Russland offenbar schon länger Pläne hegt, das zwischen Rumänien und der Ukraine gelegene Land unter seinen Einfluss zu bringen, legt nun ein russisches Strategiepapier nahe, das verschiedenen internationalen Medien zugespielt wurde und in das etwa die "Süddeutsche Zeitung" oder auch die Fernsehsender NDR und WDR Einblick nehmen konnten. In diesem wird sehr detailliert dargelegt, wohin sich die ehemalige Sowjetrepublik in Etappen bis zum Jahr 2030 entwickeln soll.

Die Hauptziele werden ohne Umschweife genannt: "Schaffung stabiler, prorussischer Einflussgruppen in den politischen und wirtschaftlichen Eliten Moldaus." Und: "Stärkung politischer Entscheidungskreise mit einer negativen Haltung gegenüber der Nato." Auch in der Bevölkerung will Moskau eine Stimmung erzeugen, die sich gegen Nato und EU richtet.

Erreicht werden soll das über politische und wirtschaftliche Kontakte, einen Ausbau der militärischen Zusammenarbeit und dem Einsatz von Gaslieferungen als Druckmittel. Außerdem will Russland, das in seinem eigenen Land NGOs als ausländische Agenten brandmarkt, ein Netzwerk russlandfreundlicher NGOs und Medien aufbauen.

Einfallstor Transnistrien

Verfasst wurde das Papier von der "Präsidialdirektion für grenzüberschreitende Zusammenarbeit". Es stammt noch aus der Zeit vor dem Ukraine-Krieg.

Und genau das lässt bei der Regierung der Republik Moldau und auch westlichen Staaten die Alarmglocken schrillen. Es besteht die Befürchtung, dass Russland die Republik Moldau nun noch schneller und umfangreicher zu einem Vasallenstaat machen will.

Einfallstor dafür wäre Transnistrien. Der östlichste Teil von Moldau wird schon länger von einer prorussischen separatistischen Bewegung kontrolliert. Es sind dort auch 2.000 russische Soldaten stationiert, und in Transnistrien befindet sich das größte Munitionslager Osteuropas. Moskau hatte erst kürzlich verkündet, dass es dort Anschlagsversuche auf hochrangige Beamte gegeben hätte, hinter denen der ukrainische Geheimdienst stecken würde. Die Regierung in Kiew dementierte dies umgehend.

Das hat in der Republik Moldau Ängste gestärkt, dass Russland bald in Transnistrien einmarschieren könnte - und nur noch einen passenden Anlass sucht oder konstruiert. Damit könnte Russland in der Südukraine eine zweite Front eröffnen und die Hafenstadt Odessa von zwei Seiten aus angreifen. Fraglich ist aber, ob Russland derzeit die Kapazitäten für eine derartige Operation hat. (klh)