Dass Griechenland ohne Schuldenschnitt nicht auf die Beine kommt, scheint für die meisten Experten klar. Für Europas politische Elite bleibt es ein Tabu.
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Athen/Brüssel. Anfang 2012 lagen die griechischen Staatsschulden bei rund 350 Milliarden Euro. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) machten die Verbindlichkeiten 171 Prozent aus und so gut wie allen Beteiligten war damals klar, dass das kleine Griechenland mit seiner taumelnden Wirtschaft diese riesige Last nicht schultern wird können. Neben einem neuen Hilfspaket mit einem Volumen von 130 Milliarden Euro wurde daher damals auch ein Schuldenschnitt vereinbart. Die privaten Gläubiger Griechenlands, also Banken, Fonds und Versicherungen, verzichten dabei auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen. Ingesamt konnte durch den Haircut eine Verringerung des griechischen Schuldenstands um 107 Milliarden erreicht werden, im Verhältnis zum BIP lag man mit einem Schlag bei 157 Prozent.
Knapp drei Jahre später hat Griechenland ein Referendum hinter sich, in dem sich mehr als 60 Prozent der Bürger gegen eine Fortführung des von den Gläubigern bestimmten Sparkurses ausgesprochen haben. Am Gesamtschuldenstand hat sich im Vergleich zu Anfang 2012 jedoch kaum etwas geändert. Er beläuft sich heute auf mehr als 320 Milliarden Euro, in Relation zum in den vergangenen Jahren stark geschrumpften BIP kommt man wieder auf 180 Prozent.
Auch diesmal spricht wenig dafür, dass Griechenland diese Schulden irgendwann einmal zurückzahlen wird können. Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hat bereits unmittelbar nach Ende des Referendums angekündigt, seine Forderung nach einem 30-prozentigen Schuldenschnitt wieder in Brüssel auf den Tisch legen zu wollen. Selbst der Internationale Währungsfonds (IWF), der zu den größten Gläubigern gehört, spricht in einem vor kurzem vorgelegten Bericht über die Schuldentragfähigkeit des Landes offen über einen Schuldenschnitt. Setzt Griechenland den derzeitigen Kurs fort, würden allein bis Ende 2018 zusätzlich 52 Milliarden Euro benötigt, urteilen die IWF-Experten.
Doch im Vergleich zu Anfang 2012 hat sich die Gläubigerstruktur fundamental geändert. Vor drei Jahren stammte mehr als die Hälfte aller Forderungen von Privaten, heute steht Griechenland mit 183,8 Milliarden Euro vor allem bei den europäischen Steuerzahlern in der Kreide. Größter Gläubiger ist dabei Deutschland, das über den temporären Eurorettungsschirm EFSF und bilaterale Kredite für knapp 90 Milliarden Euro haftet. Österreich ist an beiden Hilfsprogrammen mit 5,46 Milliarden Euro beteiligt. Nicht berücksichtigt sind da Kredite der Europäischen Zentralbank, für die auch die Mitgliedsstaaten gerade stehen müssten. Laut der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" beläuft sich der Maximalverlust Österreichs auf 9,3 Milliarden Euro.
Angesichts dieser Summen kommt das Wort "Schuldenschnitt" der politische Elite Europas derzeit auch nur in Zusammenhang mit einer Verneinung über die Lippen. Denn in der öffentlichen Kommunikation hatten die Regierungschefs rund um die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Griechenland-Hilfen stets als Darlehen verkauft, die wieder zurückgezahlt werden - im besten Fall sogar mit einem ansehnlichen Gewinn. Mit einem Schuldenschnitt müsste man sich dagegen das eingestehen, wovor vor allem Rechtspolitiker von Anfang an gewarnt haben: dass das nach Griechenland geschickte Geld für immer weg ist.