Auf eine konkrete Frage keine, zumindest keine sinnvolle Antwort zu geben, kann hohe Kunst sein. Muss sie aber nicht, wie heimische Politiker gerne demonstrieren.
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Ludwig Wittgenstein wäre wohl verzweifelt. Unsinnige von sinnvollen Sätzen zu unterscheiden war für den österreichisch-britischen Philosophen der Weg zu höheren Einsichten. Aber was tun, wenn beharrlich jede sinnvolle Aussage verweigert wird?
Wer jüngst verfolgen durfte, wie etwa Neo-Justizministerin Beatrix Karl in ihren Antrittsinterviews nichts sagte - und das mit einer Entschlossenheit, die ihresgleichen sucht -, weiß, wovon die Rede ist. Zuvor war es ihrer Amtsvorgängerin hervorragend gelungen, eine weitgehend sinnbefreite sprachliche Interaktion mit einem ORF-Moderator zu führen, für die der Begriff des Gesprächs völlig unangebracht gewesen wäre. Diese zwei Beispiele nur stellvertretend für einen Trend, der sich seit Jahren unter Entscheidungsträgern jeglicher Couleur so erheblicher wie bedenklicher Beliebtheit erfreut.
"Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt", hätte das wohl Wittgenstein analysiert. Vernichtender lässt sich das kaum formulieren.
Bleibt die Frage, was Politiker zu Interviews antreibt, in denen sie beharrlich, wenngleich natürlich stets freundlich lächelnd, Antworten verweigern. Zumal man in Österreich beileibe kein Prophet sein muss, um mit ziemlicher Treffsicherheit erraten zu können, welche Fragen das Gespräch dominieren werden.
Ist es tatsächlich so, dass es völlig egal ist, was einer sagt, solange er nur irgendetwas sagt beziehungsweise in Ton und Bild wiedergegeben wird? Wenn dem so sein sollte, müsste man sich wohl noch einige grundsätzliche Gedanken über unser politisches System machen.
Für den gesunden Hausverstand unverständlich bleibt auch, warum Politiker den Satz "Ich weiß es leider nicht" scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Lieber werden Satzungetüme kunstvoll gedrechselt, bei denen am Ende maximal noch Subjekt und Prädikat übereinstimmen, von einer unmissverständlichen Aussage aber keine Rede mehr sein kann. Es ist ein zweifelhafter Erfolg von Politberatern, wenn sich die Zuschauer oder Leser am Ende eines sogenannten Interviews fragen müssen, ob ein Politiker jetzt wirklich nichts gesagt hat oder man selbst nur zu blöd war, den versteckten Sinn auch zu entdecken.
Viel spricht dafür, dass die Entfremdung der Bürger von der etablierten Politik einhergeht mit der Entwicklung, ohnehin bereits komplizierte Dinge bewusst noch komplizierter auszudrücken. Die Rache des Systems besteht darin, dass immer mehr Unzufriedene lieber den großen Vereinfachern aller Lager zuhören.
Wenn schon von Zuwanderern Deutsch vor der Einreise verlangt wird, sollte man von Politikern durchaus fortgeschrittene Kenntnisse der allgemein verständlichen Umgangssprache verlangen können.