Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es war eine recht unkonkrete Aussage des Prinzen, dennoch ließ sie die Alarmglocken schrillen: Wenn der Iran eine eigene Atombombe baue, wäre Saudi-Arabien zu einer Politik gezwungen, "die zu unbeschreiblichen und vielleicht dramatischen Konsequenzen führen könnte", sagte Turki al-Faisal, früherer Geheimdienstchef und Botschafter in Washington, bei einem Geheimtreffen zu Nato-Vertretern.
Der britischen Zeitung "Guardian" verriet ein Vertrauter des Prinzen, was das Mitglied der Herrscherfamilie damit gemeint hatte: "Wenn der Iran Atomwaffen entwickelt, müssen wir dem folgen." Das ist genau jenes Szenario, das Nuklearwaffengegner fürchten: dass eine iranische Atombombe zu einem unkalkulierbaren Wettrüsten im arabischen Raum führen würde. Für den Westen ist diese Erwartung eines der stärksten Argumente für seine Gegnerschaft gegenüber dem iranischen Atomprogramm.
Teheran tut auch nichts, um diese Sorgen zu dämpfen: In dieser Woche führten seine Streitkräfte umfangreiche Manöver durch, bei denen unterirdische Silos für Mittelstreckenraketen mit 2000 Kilometer Reichweite präsentiert wurden. Dies diene der Abschreckung, sagte ein Sprecher des Außenministeriums und fügte hinzu: "Die westliche Sorge über unsere Militärmacht sehen wir mit Wonne."
Die Saudis orten in solchen Aktionen hingegen - nicht unberechtigt - das Zeichen persischen Hegemonie-Strebens. Sie fürchten, dass der ärmere lokale Rivale den arabischen Frühling ausnützen könnte, um eigene Vormachtgelüste auszuleben.
Die strenggläubigen Saudi-Herrscher sehen die arabischen Revolten mit äußerstem Unbehagen, erkennen sie doch bei den in Bedrängnis geratenen Regimen Parallelen zur eigenen Situation: nach außen Freunde des Westens, nach innen streng autoritär. Wohl nicht zufällig gewährt Riad dem gestürzten tunesischen Herrscher Zine El Abidine Ben Ali Asyl, nicht zufällig wird der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh in einem saudischen Spital vor der Öffentlichkeit versteckt.
Die saudische Königsfamilie fühlt sich also gleich mehrfach in Bedrängnis: Sie fürchtet, eine Rebellion im eigenen Land könnte wie in Ägypten die Unterstützung des Westens kosten, der Iran könnte im Kampf um die regionale Dominanz davon profitieren. Deshalb schiebt man den schiitischen Feinden gleich den Schwarzen Peter zu: Der Iran sei Unruhestifter im Irak, Libanon, Syrien - und in dem Golfstaat Bahrain, in den die saudischen Truppen zur Niederschlagung der inneren Unruhen einmarschiert sind.
Diplomaten des Königreiches sind in den letzten Wochen verstärkt unterwegs gewesen, um die Botschaft zu vermitteln, dass der Iran gefährlich und man selbst ein Garant regionaler Stabilität sei. In diesem Lichte ist wohl auch die Drohung mit einer eigenen Bombe zu sehen.