Es war einmal eine Prinzessin, die war so schön und blond und erfolgreich, dass die Mädchen weit und breit so werden wollten wie sie. Große, kleine, dicke, dünne - alle dachten, dass sie, wenn sie nur schön genug wären, von jedem geliebt würden. Und so hungerten sie, ließen sich die Haare färben, den Busen operieren, das Fett absaugen und wurden immer unglücklicher, weil eigentlich änderte sich gar nichts.
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Die perfekte Frau des 21. Jahrhunderts hat große Augen, glatte Haut, üppige Brüste, lange Beine und ist erschreckend dünn. Und ewig jung ist sie außerdem. Die Sehnsucht, dieses Ideal zu erfüllen, weil frau sich davon Glück, Liebe und Erfolg verspricht, hält einen ganzen Wirtschaftszweig gar nicht schlecht am Leben. Noch nie war Schönheit so sehr das Produkt ineinander greifender Industrien wie heute. Inzwischen unterziehen sich laut Angaben der Arbeiterkammer pro Jahr 40.000 bis 50.000 Österreicherinnen und Österreicher einer Schönheitsoperation. Nur mehr 6 Prozent sind mit ihrem Aussehen "sehr zufrieden", 1999 hatten noch 32 Prozent nichts an sich auszusetzen, wie das Meinungsforschungsinstitut market erhob. Dabei sind die Österreicher nicht hässlicher geworden, aber offensichtlich selbstkritischer: Der Anteil der mit ihrem Aussehen eher weniger Zufriedenen stieg in den letzten zehn Jahren beinahe um das Dreifache an.
Schönheit ist Lebenskult. Im Vorwort zum Buch "Wahnsinnig schön" macht sich der österreichische Schriftsteller Michael Köhlmeier Gedanken über die Schönheit. "Der Begriff Schönheit, angewandt auf den Menschen und seinen Körper, enthält eine merkwürdige Dichotomie: Im gleichen Maße, wie Schönheit Individualität verspricht, droht sie dieselbe auszulöschen. Das Ich strebt nach Schönheit und Vollkommenheit - um irgendwann auf dem Weg dorthin festzustellen, dass es sich, am Ziel angekommen, auflösen wird, nämlich weil es vom goldenen Baum des grünen Lebens abgeschnitten und in der grauen Theorie des Ideals landen wird."
Dieses Ideal wird in einem seltenen Zusammenspiel von Wirtschaft, Politik und Medien formuliert. Wirtschaft und Schönheit sind ein enges Verhältnis zum Zwecke der Gewinnmaximierung eingegangen. Für Cremen und Wässerchen, die versprechen, die Haut zu straffen, ihr neue Spannkraft zu verleihen und uns in wenigen Wochen um Jahre jünger aussehen lassen, legen wir ohne mit den getuschten Wimpern zu zucken Unsummen ab. Von der Diät bis zur Schönheitsoperation reicht die Palette der korrigierenden Maßnahmen, für die immer jemand die Hand aufhält. Viele Frauen und immer mehr Männer sind sich nicht einmal bewusst, dass sie dabei oft die Ideale anderer übernehmen. Auf die Frage, für wen sie sich denn schön machen, antworten die meisten Frauen: "Für mich selbst". Das wäre ja ein sensationeller, emanzipatorischer und gesellschaftlicher Fortschritt, wenn dem so wäre. Frauen sprengen die Ketten sämtlicher Konventionen und können endlich so sein, wie sie sein wollen! Doch wer sich schön macht, denkt den Blick der anderen mit und Frauen sind es von frühester Kindheit an gewohnt, mit fremden Blicken gemessen und bewertet zu werden. Die Sucht und Lust zu gefallen, lernt unsereins früh. Dabei wäre das alles doch nicht nötig, weil Männer in sämtlichen Umfragen immer wieder angeben, dass sie Frauen zuerst ins Gesicht schauen, bevor ihr Blick in tiefere Regionen abgleitet. Oder?
Jeder und jede von uns ist körperlichen Herrschaftsformen der einen oder anderen Art ausgesetzt und folgt diesen bewusst oder unbewusst, manchmal mehr, manchmal weniger, sagte Marlen Bidwell-Steiner, Leiterin des Referats Genderforschung der Universität Wien, kürzlich im Rahmen eines Ö1-Features. Sie hat im vergangenen Studienjahr eine Ringvorlesung zum Thema "Körperregime und Geschlecht" konzipiert und organisiert. Mit dem Begriff "Körperregime" werden neue Herrschaftsformen bezeichnet, die sich auf unseren Körper beziehen. Körperlichkeit ist ein soziales Phänomen, sind sich Soziologen einig und Schönheit ist weit weniger eine Frage des individuellen Geschmacks als bisher angenommen. Amerikanische Psychologen analysierten 1800 Studien zum Thema Schönheit aus der Zeit zwischen 1932 und 1999 und stellten fest, dass Menschen aus verschiedenen Erdteilen und unterschiedlichen Alters ähnliche Vorstellungen davon haben, wer attraktiv ist und wer nicht. Schön ist, was als Signal für Gesundheit gilt, zum Beispiel kräftiges, glänzendes Haar. Nach Ansicht der Psychologen schließt der Betrachter vom Aussehen der Person auf deren Gesundheit und Persönlichkeit. "Schöne" Menschen gelten als intelligenter und sozial kompetenter. Das Aussehen hätte demnach auch Einfluss auf die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Attraktive Personen seien erfolgreicher, hätten ein größeres Einkommen und mehr Sexualpartner als weniger gut aussehende. Möglicherweise liege das daran, dass schönere Menschen von Kindheit an bevorzugt behandelt werden. Schön ist demnach, wer Gesundheit und Selbstvertrauen vermittelt.
Ideale im Wandel der Zeit. Über viele Jahrtausende hinweg galt dick ist schick. Die Traumfrau der Steinzeitmenschen hatte große hängende Brüste, dicke Beine, einen runden Bauch und einen üppigen Po. Die reichlich vorhandenen Fettreserven galten als Garant für die Aufzucht der nächsten Generation. In der Antike liebte Mann an Frauen ausgewogene Rundungen in klassischen Proportionen. Im Zeitalter des Barock, als arme Leute wenig zu essen hatten, waren üppige Formen besonders begehrenswert. Leibesfülle war auch bei den Männern gleichbedeutend mit Wohlstand. Dünne Menschen galten als arm oder krank oder beides.
Noch in den 1950er Jahren galten runde Formen als besonders schön und sexy. Nach den Hungerjahren des Zweiten Weltkrieges war man froh, wieder genug zu essen zu haben und zeigte das auch. Marylin Monroe, das Sexidol der späten 50er Jahre, hatte Kleidergröße 42.
Und dann kam Twiggy. Das androgyne, magersüchtige Model wurde zum Ideal einer neuen Generation von Frauen. Mütterliche Formen passten nicht in die Zeit der gesellschaftlichen Umwälzungen der 60er und 70er Jahre. Nun galt: je schlanker, je schöner.
Heute messen wir uns an den Frauenfiguren, die uns Werbung und Medien als Schönheitsideale vorgeben, ohne uns bewusst zu machen, dass Models wesentlich dünner sind als "normale" Frauen. Fotomodelle wogen noch vor 30 Jahren etwa 8 Prozent weniger als die durchschnittliche amerikanische Frau. Heute wiegen sie 23 Prozent weniger. Eine Frau, die bei einer Körpergröße von 1,70 74 Kilo wiegt, galt vor 20 Jahren als normalgewichtig, heute wird ihr Übergewicht bescheinigt. Dass die Fotos selbst der schönsten und dünnsten Frauen mit Hilfe von Computern stundenlang nachbearbeitet werden, bevor sie abgedruckt werden, macht die Sache noch fieser. Dieses Vorbild zu erfüllen, ist schlicht unmöglich. Der Körper wird so zur Dauerbaustelle und was auf herkömmlichem Weg nicht zu schaffen ist, wird an die Schönheitschirurgie weitergeleitet. Die Macht der Bilder erzeugt Druck.
Laut einer aktuellen OGM-Umfrage wollen 65 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen im neuen Jahr ihr Gewicht reduzieren. Als bevorzugte Methoden werden dabei sportliche Aktivitäten und kalorienreduzierte Ernährungsumstellung genannt. Gleichzeitig hat das Institut für Freizeitforschung in Wien erhoben, dass die Neigung zu sportlicher Ertüchtigung hierzulande begrenzt ist. Nur ein Drittel der Österreicher kann als sportlich bezeichnet werden, ein Drittel betreibt nur selten Sport und ein weiteres Drittel kann Sport überhaupt nichts abgewinnen. Die Situation ist eigentlich paradox. Auf der einen Seite kämpfen wir gegen ein völlig unrealistisches Bild vor allem des weiblichen Körpers, das uns diverse Hochglanzmagazine vermitteln, auf der anderen Seite gibt es enorm viele Menschen, die als gesundheitsgefährdend fettleibig eingestuft werden. Fitte Körper sind wiederum der Politik ein Anliegen, weil schlanke Menschen als gesünder gelten und die Krankenkassen weniger belasten. Spätestens hier schließt sich der Kreis.
Ein normaler Zugang zum Körper scheint nicht möglich zu sein. Die Debatte über Magermodels hat das deutlich gemacht. Als 2006 innerhalb weniger Monate gleich drei Models verhungerten, geriet die Modebranche unter Druck. Protest regte sich gegen die Skelette auf den Laufstegen, New York, Paris und Mailand sahen sich gezwungen, Richtlinien aufzustellen. Auf Geheiß von Bürgermeisterin Esperanza Aguirre verbannte die Madrider Modewoche alle Models mit einem Body-Mass-Index unter 18. In Frankreich haben laut einem Bericht der deutschen "Emma" 50 Abgeordnete der Nationalversammlung vor kurzem einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem die Werbeagenturen verpflichtet werden sollen, per Computer veränderte Körper als Kunstprodukte aus dem Reich der Designerphantasie kenntlich zu machen.
Die Frauenzeitschrift "Brigitte" verzichtet seit einiger Zeit auf die Darstellung von zu dünnen Models und will Mode an "ganz normalen Frauen" zeigen: an den Leserinnen, die dem Magazin in den letzten Jahren scharenweise abhanden gekommen waren und die jetzt diese Kampagne hocherfreut mittragen. Dass es zweifellos auch sehr viel günstiger kommt, Laien in den neuesten Kreationen der Designer zu fotografieren als hochbezahlte Profimodelle, sei dahingestellt. Auch das amerikanische Modemagazin "V" zeigte in einer seiner letzten Ausgaben in langen Fotostrecken ausschließlich dicke Damen in Bademode von Gucci und engen Jeans von Guess - oder das was man sich in der Modewelt als dick vorstellt. Schließlich gelten Mannequins bereits ab Größe 38 als "Plus-Size"-Model. "Mode für Mollige" oder Kleidergrößen von 44 bis 46 kommen da nicht wirklich vor. Und auch die "Brigitte"-Models mögen zwar keine Profis sein, aber schlank sind sie allesamt. Kritiker orten in der Debatte um Magermodels denn auch eine gehörige Portion Doppelmoral. Mag ein ehemaliger Hungerhaken wie Chrystal Renn nunmehr mit Größe 42 das Übergroßen-Model der Stunde sein, Mode für Mollige entwerfen die einschlägigen Designer dennoch eher selten. Wer sich mit Kleidergröße 44 + schick stylen will, muss schon eine Schneiderin bemühen. Die Schneiderzunft freut sich dafür über die steigende Nachfrage. Schnäppchenpreise kann man hier nicht erwarten, aber ein klassisches Kostüm, das an allen neuralgischen Punkten sitzt und passt, ist eine Anschaffung für mehrere Jahre und individuell außerdem.
Buchtipp
M. Deutinger, S. Langer, C. Richter, S. Unterdorfer, B. Wimmer-Puchinger: Wahnsinnig schön.Vorwort von Michael Köhlmeier. ISBN: 978-3-901880-14-8-. Preis: 19,80 Euro
www.goldegg-verlag.at