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Wie Schottland gehalten wurde

Von Klaus Huhold

Politik

Rob Shorthouse leitete die Kampagne gegen die Unabhängigkeit Schottlands: Wie er Daten und Stories für sein Ziel einsetzte.


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Wien. "Freilich hatte ich in manchen Momenten Zweifel, das ist menschlich", sagt Rob Shorthouse. "Aber weil wir so viele Daten hatten, haben wir auch immer daran geglaubt, dass wir die Abstimmung gewinnen werden."

Mit der Abstimmung meint Shorthouse das Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands im September 2014. Der Kommunikationsspezialist, der zuvor Politiker beriet und für den schottischen Fußballverband tätig war, nahm dabei eine entscheidende Rolle ein. Er leitete die "Better Together"-Kampagne, unter deren Dach verschiedene politische Parteien und Regierungsinstitutionen für den Verbleib Schottlands bei Großbritannien warben. Sie waren die Gewinner: Die Schotten entschieden sich gegen die Unabhängigkeit.

Shorthouse war am Freitag in Wien beim "Campaigning Summit" zu Gast, einem Forum, bei dem sich Experten über Öffentlichkeitsarbeit austauchen. In einem Vortrag und bei einem anschließenden Hintergrundgespräch mit der "Wiener Zeitung" skizzierte der Schotte, wie er und sein Team um die Wähler kämpften. Im ersten Schritt ging es vor allem um eines: Verlässliche Daten zu erhalten. "Bei einer Kampagne muss man massiv in die richtigen Umfragen und Untersuchungen investieren. Sonst sagt man die falschen Inhalte zu den falschen Leuten zur falschen Zeit."

Eine Zahlen-Kombination stach bei den ersten Untersuchungen hervor: 30/30/40. "Es zeigte sich, dass 30 Prozent für die Unabhängigkeit stimmen würden, egal, was wir machen. Und 40 Prozent würden auf alle Fälle dagegen stimmen", berichtet Shorthouse. "Also konzentrierten wir uns ausschließlich auf die 30 Prozent in der Mitte, die Unentschlossenen."

Diese 30 Prozent waren, wie sich herausstellte, stark verunsichert, eine Entscheidung mit einer derartigen Tragweite zu treffen. Was würde bei einer schottischen Unabhängigkeit mit ihren Pensionen oder Löhnen geschehen? Die Antwort gab der Kampagne mehr oder weniger ihren Namen: Better together (Besser gemeinsam).

Der Gordon-Brown-Faktor

Entscheidend sei auch gewesen, die Wähler davon zu überzeugen, dass sie sich vielmehr für als gegen etwas entscheiden würden, erklärt Shorthouse. Dass sie bei einem Nein zur Unabhängigkeit nicht gegen ihre Heimat stimmen, sondern für ein erstarktes Schottland votieren würden. Und ihnen zugleich die Stabilität Großbritanniens erhalten bliebe.

Prototypisch zeigte sich dies bei einer Rede des aus Schottland stammenden britischen Ex-Premiers Gordon Brown in einem Kampagnenvideo. "Ich liebe Schottland. Ich bin stolz auf unsere Geschichte und Kultur. Ich bin stolz, dass wir ein Parlament geschaffen haben und diesem immer mehr Vollmachten geben", sagt Brown. Aber: "Unsere Stärke liegt in unserer Einheit." Ein Verbleib bei Großbritannien würde mehr Jobs und mehr Sicherheit garantieren. Deshalb stimme er gegen die Unabhängigkeit.

Viele Beobachter sind sich bis heute einig, dass das leidenschaftliche Auftreten Browns der "Better Together"-Kampagne einen wichtigen Schub gab. "Er hat eine sehr wichtige Rolle gespielt", sagt auch Shorthouse. Der Sozialdemokrat Brown habe vor allem die Werte der Wähler der in Schottland stark verwurzelten Labour-Party angesprochen. Und er trat zum richtigen Zeitpunkt immer mehr in Erscheinung - am Ende der Kampagne, als laut Umfragen die Befürworter der Unabhängigkeit immer stärker wurden.

Am Abend dann Facebook

Generell hätten seine damaligen Gegner eine sehr gute Kampagne gemacht, "bei der ihnen niemand ihre Hingabe für ihr Anliegen absprechen konnte", räumt Shorthouse ein. Zudem hätte die Scottish National Party, die politische Kraft hinter der Unabhängigkeitsbewegung, schon früh auf der Klaviatur der sozialen Medien gespielt.

Und diese nehmen mittlerweile ein entscheidende Rolle ein. "Wenn man erfolgreich eine Kampagne führen will, dann muss man dort die Leute ansprechen, wo sie sind. Und sie sind auf Facebook", sagt Shorthouse. Vor allem seien sie dort am Abend, so zwischen acht und zehn Uhr, anzutreffen, weshalb dies der ideale Zeitpunkt sei, um zu posten. Facebook eigne sich laut Shorthouse für persönliche Stories, dafür, Geschichten über einen längeren Zeitraum tröpfeln zu lassen. Ganz anders kommunizierten die Kampagnenmacher auf Twitter: schnell und direkt. Hier ging es darum, auf Debatten aufzuspringen, Meinungsmacher und Kolumnisten zu erreichen.

28 Monate habe die Kampagne gedauert, berichtet Shorthouse. 85 Prozent der Wahlberechtigten hätten am Referendum teilgenommen. Am Liebsten nennt Shorthouse aber eine andere Zahl: 55,3. So viel Prozent der Wähler haben schließlich gegen die Unabhängigkeit gestimmt.