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Wie Schulbesuch und Wohlstand zusammenhängen

Von Ulrike Famira-Mühlberger

Gastkommentare
Ulrike Famira-Mühlberger ist stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Schulschließungen wirken sich besonders auf jüngere, sozial benachteiligte und lernschwache Kinder negativ aus.


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Die Ökonomie liefert eindeutige empirische Evidenz dafür, dass Schulbesuch und dadurch erlernte Kompetenzen individuellen und gesellschaftlichen Wohlstand schaffen. Trotzdem findet wegen der Covid-19-Pandemie in unseren Schulen zurzeit kein Unterricht statt. Was sind die ökonomischen Effekte dieser Maßnahme?

Um das zu beurteilen, können wir auf die Effekte im Frühjahr 2020 zurückblicken. Die Schulschließungen im März stellten Lehrkräfte, Kinder und Eltern vor die Herausforderung, ungeachtet verfügbarer technischer und baulicher Infrastruktur sowie pädagogischer Unterstützung, den Bildungsalltag in den Haushalt zu verlegen. Die Lehrkräfte zeigten sich laut einer Befragung besorgt, dass sich das Kompetenzniveau durch Homeschooling verschlechtert hat, besonders bei benachteiligten Schulkindern. Rund ein Achtel der Volksschul- und Unterstufenkinder war kaum oder nicht erreichbar - bei benachteiligten Schulkindern waren es rund 40 Prozent. Das deutet auf allgemeine Kompetenzverluste hin und führt zu einer weiteren Polarisierung im Kompetenzerwerb. Die Zahl an Kindern und Jugendlichen, die keine ausreichenden Basiskompetenzen aufbauen, wird dadurch zunehmen. Schulschließungen treffen Kinder ungleich, besonders jüngere sowie sozial benachteiligte und lernschwache Kinder sind stärker betroffen. Jüngere Kinder deshalb, weil Lernfähigkeiten vorwiegend im frühkindlichen Alter geprägt werden, weshalb bildungspolitische Maßnahmen da am effektivsten sind und - umgekehrt - Schulschließungen die stärksten negativen Effekte haben. Zusätzlich zu unmittelbaren Lerneinbußen sind längerfristige Konsequenzen zu erwarten. Menschen mit unzureichenden Basiskompetenzen und Grundqualifikationen haben ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko, ein höheres Risiko, frühzeitig aus dem Erwerbsprozess auszu-scheiden, haben geringere Einkommen als höher qualifizierte Arbeitskräfte und verursachen (Re-)Qualifizierungskosten.

Die empirische Evidenz zu den ersten Schulschließung am Beginn der Covid-19-Pandemie ist besorgniserregend: So zeigt eine OECD-Studie, dass das spätere Erwerbseinkommen, der von Schulschließungen im Frühjahr 2020 betroffenen Kinder um rund drei Prozent geringer ausfallen wird. Stärkere negative Auswirkungen werden für benachteiligte Kinder erwartet, da deren Eltern die Effekte von Schulschließungen nur unzureichend abfedern können. Ebenso wird errechnet, dass die Schulschließungen vom Frühjahr 2020 das BIP für den Rest des Jahrhunderts um 1,5 Prozent reduzieren werden. Dies unter der Annahme, dass die Bildungssysteme rasch wieder auf dem Niveau von vor den Schulschließungen im Frühjahr arbeiten. Leider ist nun genau das hierzulande - im Gegensatz zu Deutschland, Irland oder England - nicht gelungen, somit wird der gesellschaftliche Verlust noch höher sein. Die Schere zwischen Kindern, die zu Hause die nötige Unterstützung haben und jenen, die dieses Glück nicht haben, wird weiter auseinandergehen. Mit entsprechenden Konsequenzen für den Sozialstaat von morgen.

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