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Wie sich Wasser effektvoll in den Diätplan einbauen ließe

Von Wolfgang Kappler

Wissen

Schon lange behauptet die Erfahrungsmedizin, dass überflüssige Kilos allmählich purzeln, wenn man seinem Körper das in ausreichenden Mengen zuführt, was er besonders braucht: Wasser. Wasser ist deshalb zu einem wichtigen Bestandteil vieler Diäten geworden. Doch auf die Frage warum und wie Wasser das Abspecken begünstigt, gibt es bisher kaum vernünftige Antworten. Vieles ist spekulativ und pseudo-wissenschaftlich oder klingt geradezu absurd, und einige Erklärungsversuche haben eher etwas mit Mystik zu tun als mit schnöder Biologie. Nun aber haben Wissenschaftler um Dr. Michael Borgmann und Dr. Jens Jordan am Clinical Research Center der Franz-Volhard-Klinik in Berlin-Buch in einer aufwändigen und aussagekräftigen Studie gezeigt, wie es funktionieren könnte.


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Danach aktiviert Wasser offensichtlich über bestimmte Bindungsstellen im Körper das sympathische Nervensystem und sorgt so für einen höheren Energieumsatz. Ähnlich wie bei der Nahrungsaufnahme bildet sich auch beim Wassertrinken Wärme im Körper, die sofort abgegeben wird. Ein Effekt, der als Thermogenese bezeichnet wird. Zwei Liter Wasser am Tag, also die empfohlene Trinkmenge, verbrauchen danach etwa 150 kcal. Dabei gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. Während bei Frauen die Energie durch Oxidation von Kohlenhydraten geliefert wird, steht bei Männern die Fettverbrennung im Vordergrund, und zwar hauptsächlich im Muskel und weniger im Fettgewebe.

SNS in Startposition

Schon lange hatte das Team um Dr. Michael Boschmann das sympathische Nervensystem (SNS) im Blick. Dessen Hauptaufgabe besteht darin, den Körper auf eine Aktivität vorzubereiten und den dazu nötigen Energieverbrauch anzuregen. Das SNS versetzt den Körper gewissermaßen in Alarmbereitschaft und löst Fluchtverhalten aus. Typische Zeichen für ein aktives SNS sind z.B. beschleunigter Herzschlag, schnelle Atmung und erhöhter Blutdruck.

Die Muskeln von Herz und Lunge erhalten dabei das Signal über Beta-Rezeptoren. Werden diese gehemmt (Stichwort Beta-Blocker), normalisiert sich die Aktivität der angesteuerten Muskeln. "Aus klinischen Beobachtungen wissen wir, dass bei Patienten mit einem versagenden autonomen Nervensystem Wasser wahre Wunder wirkt. Solchen Menschen wird beim Aufstehen normalerweise schwarz vor den Augen. Trinken sie vorher Wasser, steigt der Blutdruck und sie können problemlos das Bett verlassen", berichtet Boschmann. Auch bei gesunden älteren Menschen erhöhe Wasser den Blutdruck, nicht jedoch bei jüngeren, hat Dr. Jens Jordan in Voruntersuchungen herausgefunden.

Vermutung bestätigt, aber . . .

Das ließ die Berliner Ernährungsmediziner vermuten, dass die Wirkung von Wasser eventuell über das SNS vermittelt wird. Weil dieser Teil des Nervensystems auch in der Regulation des Stoffwechsels eine zentrale Rolle spielt, wollten sie wissen, ob Wassertrinken auch den Energieumsatz steigert, und wenn ja, ob es dabei zu Veränderungen im Stoffwechsel des Fettgewebes kommt. Offenbar stimmt die Vermutung, denn bei allen 14 Testpersonen stieg der Energieumsatz nach Aufnahme eines halben Liters Wasser innerhalb weniger Minuten um über 30 Prozent. Wurde vorher der Beta-Blocker Metoprolol verabreicht, blieb der Effekt aus.

Damit sind sich die Berliner Forscher sicher, dass Wasser trinken über eine zumindest teilweise Aktivierung des SNS Energie verbraucht. Ob sich dieser Effekt bei der Behandlung von Übergewicht nutzen lässt, bezweifelt Boschmann allerdings: "Bei einigen Übergewichtigen, so die Datenlage, scheint das SNS nicht richtig zu funktionieren". Weitere Studien müssen nun zeigen, ob es sinnvoll ist, Energieverluste generell durch Wasser auszugleichen. Als gesichert gilt aber: Wasser ist gegenüber Softgetränken vorzuziehen. Und möglicherweise wird der Wassereffekt bei künftigen Diätplanungen mit berücksichtigt werden müssen.

Effekt durch Nahrungsersatz

Weitere wissenschaftlich belegte Gründe, die für ein Abnehmen mittels Wasser sprechen: Wasser beeinflusst über die Magenfüllung das Sättigungsgefühl. Prof. Volker Pudel von der ernährungspsychologischen Forschungsstelle der Uni Göttingen zeigte, dass durch trinken eines Viertel Liter Wassers die Nahrungsmenge um durchschnittlich 13 Prozent gesenkt wird. "Da Wasser keine Energie liefert, ist jeder Nahrungsersatz durch Wasser ein Gewinn für die negative Energiebilanz", sagt er.

Der US-Arzt Dr. Faridun Batmanghelidj meint, dass wir aufgrund der chemischen Zusätze in modernen Getränken verlernt haben, zwischen Durst und Hunger zu unterscheiden. "Wir essen oft, wenn wir eigentlich durstig sind", sagt er und sieht darin einen Hauptgrund für die Übergewichtsproblematik. Wasser trinken könne das natürliche Durstgefühl wieder herstellen. Damit würde man automatisch weniger essen und Gewicht verlieren, will er festgestellt haben.

Ohne Zucker geht's nicht

Seine These, wonach unser Gehirn seine Energie überwiegend aus der Wirkung von Wasser an Zellmembranen erhält, statt aus der Verwertung von Zucker, stößt jedoch auf größte Skepsis. Dr. Sabine Staak (Institut für Neurobiologie in Magdeburg) erklärt dies hinlänglich: "Die Hydroenergie-Theorie ist Komplettunsinn. Aus Wasser kann das Gehirn keine biochemische Energie ziehen. Es verbrennt mehr Zucker als alle anderen Organe. Wenn die Glukose-Zufuhr aus dem Blut drei Minuten ausfällt, fällt man ins Koma".