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Ärzte, Virologen und Molekularbiologen räumen mit den Impf-Mythen auf.
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Die ersten 10.000 Dosen des Corona-Impfstoffes sind am Stefanitag in Österreich eingetroffen. Die wichtigsten Aspekte zum Impfstoff im Überblick:
Können angesichts der schnellen Impfstoff-Entwicklung schwerwiegende Spätfolgen ausgeschlossen werden?
Schwerwiegende Spätfolgen können auch bei Impfungen mit längeren Zulassungsperioden nicht von vornherein ausgeschlossen werden, wenn sie bei den vorgeschriebenen zehntausenden Probanden im Testzeitraum nicht auftreten. Daher kommt jede Impfung mit einem Risiko, jedoch ist die Gefahr schwerer Impfschäden klein. Etwa kam es 2009 bei einem Grippe-Vakzin gegen den Stamm H1N1 bei einem von 18.400 Kindern zur "Schlafkrankheit" Narkolepsie - das ist eine der höchsten Raten. Als Reaktion auf das mRNA-Vakzin von Biontec/Pfizer sind in Einzelfällen allergische Schocks aufgetreten.
"Was man wissen muss, ist, dass Reaktionen innerhalb von Tagen bis Monaten auftreten, weil die Immunantwort kurz nach der Impfung am stärksten ist", erklärt der Vakzinologe Florian Krammer von der Icahn School of Medicine in New York. Zur weiteren Sicherheit nach Phase III würden Impfungen auch dann beobachtet, wenn sie bereits auf dem Markt sind. "Auf jeden Fall muss man die Risikoabschätzung im Auge behalten", betont Krammer.
Bei der Polio-Schluckimpfung zeigte sich, dass zwei bis drei von einer Million Geimpften tatsächlich Polio bekamen. Von den Nicht-Geimpften erkrankten jedoch 5.000 von einer Million an der Kinderlähmung. Im Fall der Corona-Pandemie stünden "recht gute Sicherheitsdaten bei 40.000 Personen" dem momentan hohen Risiko einer Virusinfektion mit ebenfalls hohem Risiko eines schweren Verlaufs gegenüber.
Wieso kann man gegen Covid-19 impfen, aber nicht gegen Aids, obwohl Genom und Wirkungsweise von HIV ebenfalls bekannt sind?
Covid-19 ist in der Regel nach zwei Wochen überstanden, nach etwa einem Monat sind keine Viren-Partikel mehr nachweisbar. Trotz der aktuell neuen Mutation in Großbritannien sind Coronaviren im Allgemeinen wenig mutationsfreudig. Der Aids-Erreger HIV verbleibt hingegen jahrelang im Körper und mutiert ständig. Ein Impfstoff konnte bisher nicht dauerhaft vor einer Infektion schützen. Keines der bisher am Menschen getesteten Präparate brachte die erwünschte Wirkung.
Normalerweise bestehen Impfstoffe aus, simplifiziert gesagt, abgetöteten
Viren. Wieso bedarf es bei Covid-19 eines anderen Verfahrens?
Alle Impfstoffe basieren auf dem Prinzip, dem Immunsystem Teile (Antigene) des Virus zu präsentieren, sodass Immunität gegenüber dem Erreger aufgebaut werden kann. Es gibt verschiedene Ansätze. Inaktivierte (also abgetötete) Viren sind die älteste Technologie. Dabei werden Viren isoliert, vermehrt, chemisch abgetötet und schließlich als Vakzine eingesetzt. Tot-Impfstoffe werden gegen Polio, Hepatitis A, Zecken oder Influenza eingesetzt und auch gegen Covid-19 wird der Ansatz verfolgt. Impfungen mit abgeschwächten Viren wiederum kommen gegen Masern zum Einsatz; virale Vektoren gegen Ebola. Beide werden im Bezug auf das Coronavirus getestet.
Neu sind die mRNA-Impfstoffe. Sie übermitteln dem Körper den Bauplan für Virus-Antigene, die dann in den Zellen hergestellt werden und eine Immunantwort hervorrufen. Sie kommen vor allem deswegen gegen Covid-19 zum Einsatz, weil diese Art der Impfung schnell hergestellt werden kann. Zudem sind sie so neu nicht: Seit 2013 gibt es klinische Studien in Menschen mit RNA-Vakzinen, die auch als Anti-Krebs-Impfstoffe getestet werden.
Greifen mRNA-Impfstoffe in die individuelle Genetik ein?
Nein. Es ist eine Einbahnstraße: Während die RNA die genetische Information für den Aufbau eines Proteins in einer Zelle enthält, macht die mRNA, auch Boten-RNA, die Bauanleitung für ein bestimmtes Protein in der Zelle verfügbar. Sie wird aus dem Erbgut in der Zelle gebildet, kann aber nicht wieder in die DNA integriert werden. Anders ist es, wenn Sars-CoV-2 eine Zelle erobert: Da die Viren sich nicht selbst reproduzieren können, programmieren sie die Zellen um. Diese gehen dann nicht mehr ihren Aufgaben nach, sondern kümmern sich um die Viren-Reproduktion.
Ist die Impfung für Schwangere bedenklich?
mRNA-Impfstoffe wirken nur auf Körper- und Muskelzellen im Bereich der Einstichstelle. Eine Veränderung der Ei- und Samenzellen findet nicht statt. Allerdings sind die Auswirkungen der Impfstoffe auf ungeborene Kinder nicht getestet. "Schwangere Frauen sollten sich nicht impfen lassen, bis weitere Erfahrungen mit dem Impfstoff gesammelt wurden", sagt Michael Feichtinger, ärztlicher Leiter des Wunschbaby Instituts Feichtinger in Wien. Frauen, die sich impfen lassen wollen, empfiehlt das Royal College of Obstetrics and Gynecology in London, wo bereits immunisiert wird, mit einer Schwangerschaft drei Monate nach der ersten Teilimpfung und zwei Monate nach der zweiten Teilimpfung zu warten, beziehungsweise den männlichen Partnern, sich immunisieren zu lassen.
Machen mRNA-Impfstoffe unfruchtbar?
Die Behauptung, mRNA-Impfstoffe könnten Frauen dauerhaft unfruchtbar machen, ist nicht stichhaltig. Laut einer These würden die in den Spikes des Virus enthaltenen und durch die Zellen nach Gabe des mRNA-Impfstoffs reproduzierten Proteine jenen gleichen, die zum Einnisten der Eizelle in die Plazenta notwendig sind. Die daraufhin gebildeten Antikörper würden somit auch die Eizellen-Proteine angreifen und so Schwangerschaften verhindern. Lennart Randau, Professor für Mikrobiologie an der Universität Marburg und Leiter der Studiengruppe RNA-Biochemie der Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie, hält die These für abstrus: Dafür sei das Spike-Protein viel zu spezifisch für das Sars-Cov2-Virus. "Es ist das Strukturprotein mit der höchsten Divergenz und wurde unter anderem zur Minimierung der Kreuzreaktionen mit anderen Erkältungs- oder Durchfall-Coronaviren gewählt." Kreuzreaktionen mit Eizellenproteinen seien ihm nicht bekannt und auch nicht zu erwarten.
Stammt die mRNA für die Impfstoffe aus Föten?
Nein. Die mRNA für den Impfstoff wird basierend auf der Geninformation, der DNA des Virus, synthetisch hergestellt. Die DNA ist das Speichermedium und dazu passend ist die mRNA der konkrete Bauplan, aus dem letztlich in der Körperzelle die Proteine gemacht werden. Für den Impfstoff wird zuerst die DNA-Sequenz, insbesondere die des Spike-Proteins, auf einem Mikrochip synthetisiert: "Nukleotid für Nukleotid wird aneinandergehängt", sagt Martin Pfeiffer, Molekularbiologe an der TU Graz. Dann werden Enzyme eingesetzt, sogenannte RNA-Polymerasen, und die DNA wird in mRNA umgewandelt. Diese mRNA-Moleküle verpackt man in Fett-Tröpfchen, damit sie nach der Injektion nicht sofort zerstört werden und die mRNA in die Zelle gelangen kann. Dort wird das Spike-Protein hergestellt, so eine Immunantwort ausgelöst und Antikörper werden gebildet. "Die Impfstoff-Produktion ist ein vollständig künstlicher Prozess", so Pfeiffer.
Kann man durch die Impfung an Covid-19 erkranken?
Nein! Keiner der Impfstoffe gegen Covid-19 kann eine Erkrankung mit Covid-19 auslösen. Die RNA-basierten Impfstoffe (z.B. Biontech/Pfizer oder Moderna), enthalten nur die mRNA, also den Bauplan, des Spike-Proteins, eines sehr kleinen Virus-Fragments. Die Körperzellen können daraus kein vollständiges Virus erzeugen. "Das ist so, als ob Sie anhand eines Bauplans für die Kühlerfigur das gesamte Auto nachbauen müssten. Das geht nicht. Sie können nur die Kühlerfigur nachbauen und lernen, die Automarke zu erkennen", erklärt Reinhard Würzner, stellvertretender Direktor des Instituts für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie an der MedUni Innsbruck. Aus den Bauplänen für das Spike-Protein kann sich auch nicht autonom ein ganzes Virus entwickeln. "Selbst dann nicht, wenn im Körper andere Virusfragmente vorhanden sind." Auch die nichtreplizierenden Vektor-Impfstoffe (z.B. AstraZeneca oder Gamaleya Sputnik V) können keine Covid-19-Erkrankung auslösen. "Sie können sich nicht vermehren", so Würzner. Auch diese Impfstoffe enthalten zudem zu wenig Information, um ein vollständiges Virus zu bilden. "Der Körper braucht dazu immer die gesamte Erbinformation des Virus." Die Totimpfstoffe wiederum sind zwar ganze Viren, aber diese sind komplett abgetötet. "Nur Lebendimpfstoffe bergen eine gewisse Gefahr, bösartig zu werden", sagt Würzner. Zusammenfassend erklärt er: "Wasser fließt nicht den Berg hinauf. Aufgrund einer dieser Impfungen an Covid-19 zu erkranken, ist ebenso unmöglich."
Werden Mutationen am Spike-Protein die Impfstoffe unwirksam machen?
"Es kann theoretisch sein, dass das Immunsystem das Virus aufgrund der Veränderungen des Spike-Proteins dieses nicht mehr richtig identifiziert", sagt Mikrobiologe Reinhard Würzner. Allerdings: "Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass dies der Fall ist." Vor den bisherigen Mutationen zu fürchten bräuchte man sich daher nicht, meint er. Allerdings gelte es, das Virus weiterhin "sehr genau" zu beobachten.
Gibt es einen Impfstoff für Kinder?
Noch nicht. Die derzeit und demnächst verfügbaren Vakzine sind erst ab 16 Jahren zugelassen. Sie wurden nur an Erwachsenen getestet. Um Impfstoffe bei Kindern anwenden zu dürfen, müssen sie auch an Kindern getestet sein, sagt Karl Zwiauer von der Abteilung Kinder- und Jugendheilkunde der Universitätsklinik St. Pölten. Astra Zeneca hat bereits bekannt gegeben, entsprechende Studien starten zu wollen. Auch andere Pharmafirmen planen dies, es habe jedoch keine Priorität, da Kinder keine gefährdete Gruppe sind.