Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Schön langsam darf man sich Sorgen machen. Drei Wochen vor Beginn der Fußball-WM werden die vor gut einem Jahr als temporäres Ereignis geglaubten Unruhen im Gastgeberland tendenziell mehr denn weniger. Die jüngste Eskalationsstufe betraf das zentrale Lustobjekt eines jeden Fußballers - den goldenen WM-Pokal. Schon die bloße Ausstellung der Trophäe wollten wütende Demonstranten in der Stadt Belém verhindern und sich mit Steinen und Stöcken bewaffnet Zutritt zum Gebäude verschaffen. Den Organisatoren blieb nichts anderes übrig, als den World Cup in Sicherheit zu bringen und zu fliehen. Fast zeitgleich wurde eine sechs Meter hohe Nachbildung des WM-Pokals von Unbekannten in Brand gesteckt und vernichtet. Was am meisten verstört: Das Kunstwerk befand sich im Trainingscamp der brasilianischen Nationalmannschaft in Teresopolis bei Rio. Das lehrt uns, dass offenbar nicht einmal das Heiligtum Brasiliens, die Seleção, vor Attacken und Missgunst aus dem eigenen Land gefeit ist. Und die, die in wenigen Tagen Fußballer, Funktionäre und Fans schützen sollen, planen derweil weitere Streiks statt Einsatzpläne gegen die Gewalt. In gleich 14 Bundesstaaten soll die Polizeiarbeit ruhen, um höhere Löhne zu erkämpfen.
Wir haben in der Vergangenheit schon viele falsche Prophezeiungen über alles mögliche Ungemach bei Großveranstaltungen erlebt - keine vier Jahre ist es etwa her, dass Horrormeldungen über Kriminalität in Südafrika potenzielle Gäste verschreckten. Doch bei Brasilien weiß man nun nicht so recht. Denn schon auf einer anderen Ebene haben die Veranstalter das Versprechen nicht eingehalten: Das Stadion in São Paulo, Schauplatz der WM-Eröffnung, wird definitiv nicht in voller Pracht fertig werden. So etwas gab es auch noch nie - weshalb Fußball-Ikone Pelé von einer nationalen Schande sprach. Und eine noch größere Schande wird es, wenn bei der WM Gewalt und Angst statt Begeisterung und Freude regieren.