Zum Hauptinhalt springen

Wie sinnvoll ist die Briefwahl?

Von WZ Online

Politik

Geständiger Bürgermeister tritt nach erstem Zögern doch zurück. | Wien. Der mutmaßliche Wahlbetrug im Burgenland wirft auch auf die Wien-Wahl einen Schatten. In der Bundeshauptstadt wird der Verdacht der Wahlfälschung erhoben, bevor die Wahl überhaupt stattgefunden hat. Verfassungsexperten schlugen einmal mehr Alarm. Es mehren sich auch die Rufe nach einer Neuwahl im Burgenland.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Landeshauptmann Hans Niessl (S) lehnt Neuwahlen derzeit noch ab, er kündigte aber das Aus der Briefwahl in ihrer jetzigen Form an. Der Bürgermeister von Unterrabnitz-Schwendgraben, Wilhelm Heissenberger (V), der den Wahlbetrug gestanden hat, kündigte am Freitag nach erstem Zögern seinen Rücktritt an.

"Es wird die Briefwahl in dieser Form nicht mehr geben", erklärte Niessl bei einer Pressekonferenz in Eisenstadt. "Schwachstellen" müssten beseitigt werden: "Das kann sogar soweit gehen, dass die Briefwahl im Burgenland abgeschafft wird. Denn Wahlfälschung hat in einer entwickelten Demokratie nichts verloren." Den Landtag aufgrund des Vorfalls in Unterrabnitz neu zu wählen, lehnte er "aus heutiger Sicht" aber ab. Einen entsprechenden Antrag werden jedoch die burgenländischen Freiheitlichen einbringen.

Eine Neuwahl ist trotz Wahlfälschung nicht vorgesehen, weil die vierwöchige Einspruchsfrist längst abgelaufen ist. Verfassungsexperte Heinz Mayer plädiert dennoch für Neuwahlen. Er und seine Kollegen Bernd-Christian Funk und Theo Öhlinger mahnten einmal mehr eine Reform der Briefwahl ein. Ein Abschaffen der Briefwahl hält Öhlinger politisch für nicht durchsetzbar, man könne sie nur verbessern, wiewohl sie nie absolut sicher sein werde. Dem stimmte auch Funk zu.

Bürgermeister Heissenberger, der nach seinem Geständnis vor der Korruptionsstaatsanwaltschaft gestern noch nicht wusste, ob er zurücktreten soll, hat über Nacht scheinbar nochmals darüber nachgedacht: Einen "Rücktritt wird es sicher geben", sagte Heissenberger heute.

Die Wahlfälschung im Burgenland lässt die Wiener Opposition schlimmes erahnen. FPÖ und Grüne erhoben neuerlich Wahlbetrugsvorwürfe gegen die SPÖ. Die Mehrheitsfraktion helfe bei den Wahlkarten nach, um die Absolute zu verteidigen, und keile Briefwähler in der türkischen Community, so die Anschuldigung der beiden Oppositionsparteien. Erst vor wenigen Tagen warfen die Grünen der SPÖ vor, für schwer demente Menschen Wahlkarten geordert zu haben. Für die am Sonntag anstehende Wien-Wahl wurden 162.039 Wahlkarten beantragt - das entspricht 12,93 Prozent der 1,144.510 Wahlberechtigten.

Reformen wurden auch bundespolitisch eingefordert. Die SPÖ drängt "noch im Herbst" auf Parteiengespräche über eine "kleine Wahlrechtsreform", wie Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter im APA-Gespräch sagte. Auch VP-Klubobmann Karlheinz Kopf gestand Handlungsbedarf ein. Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig warf SPÖ und ÖVP vor, einen Grundstein der Demokratie, "das freie und geheime Wahlrecht mit Füßen zu treten" und verlangte Neuwahlen im Burgenland sowie eine Reform der Briefwahl.