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Wie Türkis-Grün die Macht aufteilt

Von Karl Ettinger und Jan Michael Marchart

Politik

Bei der Öko-Partei sorgt für Murren, dass die ÖVP den Integrations- und Migrationsbereich voll bei sich hält.


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Es geht auch um Symbolik. Der Start ins neue Jahr 2020 wird ganz im Zeichen der Bildung der neuen türkis-grünen Bundesregierung stehen. Für 2. Jänner oder spätestens 3. Jänner ist die Verkündung des Koalitionsabkommens durch ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler vorgesehen.

Zum Wochenstart am Montag wurde aber bereits eine wirkliche personelle Überraschung publik. Wie der "Wiener Zeitung" bestätigt wurde, soll die bisherige Sektionschefin im Außenministerium und Kurz-Vertraute Susanne Raab das neue Integrationsministerium führen. Damit wird die Aufteilung der Ministerien und der Macht in der türkis-grünen Regierung deutlich, immer vorausgesetzt, dass der grüne Bundeskongress am 4. Jänner in Salzburg dazu den Sanktus erteilt.

Die Aufteilung der Ministerien zwischen ÖVP und Grünen steht, wie bestätigt wurde, grundsätzlich fest. Das Integrationsministerium, das durch die gebürtige Oberösterreicherin Raab für die ÖVP geleitet werden soll, passt ins Bild. Die Integration von Zuwanderern in Österreich ist ein zentrales Anliegen der Grünen. Mit Raab bleibt die Oberhoheit in dem sensiblen Bereich jedoch in der Hand der ÖVP.

Kurz geht es um weiteren Mitte-rechts-Kurs

ÖVP-Chef Kurz hat bei den Stellungnahmen zu den Regierungs- und Sondierungsgesprächen mit den Grünen in den vergangenen Wochen nie ein Hehl daraus gemacht, dass die ÖVP mit gut 37 Prozent der Stimmen bei der Nationalratswahl im Rücken an ihrem strengen Kurs bei der Integration und gegenüber illegalen Einwanderern festhalten werde. Für die ÖVP ist das Teil der von Kurz angekündigten Fortsetzung der Mitte-rechts-Politik.

Elf ÖVP-Regierungsmitglieder, vier Posten für Grüne

Zusätzlich zum Amt des Bundeskanzlers sollen zehn Ministerien laut APA in der angestrebten türkis-grünen Bundesregierung von der ÖVP geführt werden. Dazu zählen die politisch besonders wichtigen und einflussreichen: das Finanz- und das Innenministerium. Dazu kommen die Ministerien für Integration, Landesverteidigung, Äußeres sowie das Wirtschaftsressort und das Kanzleramts- und Europaressort. Auch das Bildungsministerium, das wesentlich über die Integration der Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache entscheidet, soll weiter von der ÖVP geführt werden.

Die ÖVP hat mit den Finanzen die Fäden zentral in Händen. Mit dem Innenministerium und dem Verteidigungsministerium ist der Zugriff auf die innere und äußere Sicherheit gesichert. Mit der Führungsrolle bei Migration und Integration kann sie somit ein allzu starkes Abgehen vom Kurs der früheren türkis-blauen Regierung steuern und vermeiden. In grünen Kreisen schließt man auch nicht aus, dass die Frauenagenden zur ÖVP wandern könnten.

Zentrale grüne Ministerien Umwelt und Soziales

Die Grünen stellen - inklusive Vizekanzler Werner Kogler - vier Regierungsvertreter. Darüber hinaus werden ÖVP und Grüne jeweils eine Staatssekretärin oder einen Staatssekretär nominieren. Darunter sind die für die Ökopartei wichtigen Ministerien für Umwelt plus Infrastruktur sowie das Sozial- und Gesundheitsministerium. Dem neuen Umwelt-Großressort soll die ehemalige Geschäftsführerin von Global 2000, Leonore Gewessler, vorstehen. Aus dem Sozialministerium sollen allerdings Arbeitsmarktagenden in Form des Arbeitsmarktservice (AMS) in das Wirtschaftsressort wandern. Dazu kommen das finanziell arg ausgehungerte Justizministerium sowie ein Ressort für Kunst und Kultur. Die geschäftsführende Parlamentarierin der Grünen Sigrid Maurer dürfte laut "Standard" in kein Ministeramt wechseln. Sie soll Kogler als Chefin des Parlamentsklubs beerben.

Nach übereinstimmenden Auskünften geht es bis zur geplanten Vorstellung der türkis-grünen Koalitionsvereinbarung zu Beginn des neuen Jahres noch um den "Feinschliff" des Abkommens und die Klärung und Verteilung mancher Kompetenzen in den an sich aufgeteilten Ministerien. Das sei alles "noch nicht ganz fix", hieß es am Montag.

Nachdem die Aufteilung der Ministerien durchgesickert war, ging nun die ÖVP in die mediale Offensive. Kurz war es wichtig, Tatsachen zu schaffen, wonach Raab Integrationsministerin werden soll. Dass der Bald-wieder-Kanzler Kurz damit wenige Tage vor dem sensiblen Bundeskongress der Grünen an die Öffentlichkeit geht, ist bemerkenswert. Die Grünen halten sich derzeit aus Rücksicht auf den sensiblen Bundeskongress am Wochenende, bei dem die grüne Basis über den Koalitionspakt abstimmen wird, mit öffentlichen Aussagen und Interna zurück. Hinzu kommt, dass der Integrations- und Migrationsbereich nach eineinhalb Jahren Türkis-Blau ein äußerst heikler Punkt für die Grünen bei den Regierungsverhandlungen war. Nun liegen diese Agenden in Form des Innen- und Integrationsministeriums vor allem bei der ÖVP. Das ist allerdings keine Überraschung, diese hat das Thema stets hoch gehängt hat. Manch Grüner meint, dass der Juniorpartner hier viel geschluckt habe, ohne dabei ins Detail zu gehen. Man sei aber gespannt darauf, wie das in der Praxis aussehen soll.

Kommt ein österreichweites Öffi-Ticket?

Andere weisen darauf hin, dass es eine "Kommunikationsbasis" mit Raab gebe, die man aus den Verhandlungen kennt. Die Frage aus Sicht der Grünen ist, ob es einen Unterschied macht, dass die ÖVP ihre Migrationslinie mit ihnen abstimmen müssen. Den türkis-blauen Stil wollen die Ökos jedenfalls nicht mittragen. "Ordnung und Humanität" könnte der grüne Slogan lauten.

Mit konkreten Details aus dem Regierungsprogramm halten sich die Verhandler auch hinter vorgehaltener Hand eher zurück. Ein größerer Punkt könnte sich aber herauskristallisieren: ein österreichweites Öffi-Ticket. Auch in den Kindergartenbereich soll mehr Geld fließen, ein zweites Kindergartenjahr in einer gewissen Form wird zumindest nicht dementiert.