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Wie viel ist die Hälfte von einem Drittel?

Von Christine Zeiner

Wirtschaft

Jugendliche, die eine Lehrstelle suchen, weisen großteils Wissensdefizite auf, behauptete am Donnerstag Georg Toifl, Obmann der Bundessparte Gewerbe und Handwerk. Schuld daran sei das österreichische Bildungssystem. Den Vorwurf, die Wirtschaft erbringe ihre volkswirtschaftlich erforderliche Ausbildungsleistung nicht, wies er zurück. "Wir nehmen diese Aufgabe wahr", sagte Toifl im Rahmen einer Pressekonferenz.


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Von den derzeit 125.000 österreichischen Lehrlingen sind mehr als die Hälfte in der Sparte Gewerbe und Handwerk tätig. Laut AMS waren zum Jahreswechsel rund 4.500 junge Menschen ohne Lehrstelle. In diese Zahl nicht miteinberechnet sind Jugendliche im sogenannten Auffangnetz - also jene, die Lehrgänge besuchen und in dieser Zeit versuchen, einen Lehrplatz zu erhalten.

"Warum finden viele keinen Lehrplatz?" fragt Toifl und liefert eine Erklärung: "Oft sind grundsätzliche Erfordernisse wie die Beherrschung der Grundrechnungsarten, das Verfassen eines einfachen Lebenslaufes oder das Begreifen von Zusammenhängen nicht vorhanden." Stefan Klaus von der Bundesinnung Kfz-Techniker will im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" nicht die ganze Schuld auf die Schule schieben. In seiner Branche sei in erster Linie wichtig, ob der Lehrling für den Beruf geeignet ist und er die Tätigkeit überhaupt ausüben möchte. Er meint aber einschränkend: "Je besser die schulische Ausbildung ist, um so leichter tu ich mir als Unternehmer." Helmut Heindl, Geschäftsführer der Bundessparte Gewerbe, und Handwerk fordert "ganz vehement", dass entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, die die Jugendlichen dazu bringen, "lehrlingsfähig" zu werden. Seiner Meinung nach müssten "Standards" eingerichtet werden, um überprüfen zu können, welches Wissen vorhanden ist. Heindl unterstrich seine Forderung mit einem Beispiel: "Viele wissen nicht einmal, wieviel die Hälfte von einem Drittel ist."

Toifl zu Folge halten viele positive Zeugnisse von Abgängern eines Polytechnischen Lehrgangs einer "näheren Überprüfung" nicht stand. HTL-Direktoren würden Schüler anwerben, um die entsprechende Zahl für Klassen vorweisen zu können. "Auch das drückt auf das Niveau", ist Toifl überzeugt. Johann Sedlaczek, Bundesvorsitzender des parteiunabhängigen Verbandes der Professoren Österreichs (VdPÖ), meint dazu: "Jede Niederlage hat viele Väter. Man kann nichts generalisieren. Und natürlich gibt es bei österreichweit 120.000 Lehrern auch schwarze Schafe".

Inge Kaizar, Bildungsexpertin der Arbeiterkammer (AK), geht mit den Wirtschaftstreibenden hart ins Gericht: "Die Firmen ziehen sich sukzessive aus der Lehrlingsausbildung zurück und decken ihren Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern u.a. mit Fachhochschulabsolventen."

Stimmung allgemein besser

In den österreichischen Gewerbe- und Handwerksbetrieben hat sich die Stimmung erstmals seit 1999 wieder aufgehellt: "Der Aufwärtstrend der konsumnahen Branchen wie Bäcker, Fleischer und Friseure, wurde fortgesetzt - die lange Talfahrt der letzten Zeit ist gestoppt", berichtete Walter Bornett von der KMU -Forschung Austria. Die rund 63.000 Betriebe beschäftigen 600.000 Mitarbeiter; dies sei als Erfolg zu werten. Die öffentliche Hand habe "nach wie vor" keine Impulse gesetzt, der Aufschwung beruhe hauptsächlich auf privater Nachfrage. Die KMU-Forschung führt im Gewerbe und Handwerk regelmäßige Stichproben durch. Die jüngsten Resultate sind erfreulich: "Die Anzahl der Betriebe, die Umsatzrückgänge vermeldeten, ist im Vergleich des 4. Quartal 2003 mit jenem von 2002 weniger geworden - optimal ist die Situation aber nicht", sagte Bornett einschränkend. Nach Branchen gibt es große Unterschiede. Während das Ergebnis bei Kfz-Technikern "relativ erfreulich" ausfiel, liegen Fleischer und Bäcker auf dem "katastrophalen Niveau von Ende der 1990er Jahre." Kleinst- und Kleinbetriebe spürten eher negative konjunkturelle Entwicklungen als Firmen mit mehr als 20 Mitarbeitern, was auch auf Marketing zurückzuführen sei. Heindls Appell an die Konsumenten: "In die Konditorei und zum Bäcker gehen."