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Ljubljana. Historische Entscheidung im slowenisch-kroatischen Grenzstreit: Nach einem fast zwei Jahrzehnte währenden Grenzstreit haben die Slowenen am Sonntag in einer Volksabstimmung für das zwischen beiden Regierungen ausverhandelte Grenzabkommen gestimmt, das die Festlegung der Seegrenzen in die Hände einer Schiedskommission legt.
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51,5 Prozent der Slowenen votierten für das von der konservativen Opposition heftig bekämpfte Abkommen. Ministerpräsident Pahor dankte den Wählern für ihre "mutige Entscheidung".
Die Wähler an der slowenischen Küste, die von der Festlegung der Seegrenze durch den bevorstehenden Schiedsspruch am meisten betroffen sein werden, haben sich besonders deutlich für das Grenzabkommen mit Kroatien ausgesprochen. Mit einer Ja-Mehrheit von 56,5 gegen 43,5 Prozent fiel an der Küste die Unterstützung noch höher aus als im gesamten Slowenien. In einzelnen Küstenstädten wie Izola und Koper betrug die Ja-Mehrheit 70 Prozent, im Piran 67 Prozent.
Heftiger Polit-Streit
Der slowenische Ministerpräsident Borut Pahor hat das Ja seiner Landsleute zum Grenzabkommen mit Kroatien als "großen Sieg für Sloweniens" gefeiert. "Es ist der Sieg eines Sloweniens, das in die Zukunft blickt, das die schwierigsten Probleme auf friedlichem Wege löst und das erfolgreich sein will", sagte Pahor am Sonntagabend in Ljubljana. "Slowenien hat heute viele Freunde in der gesamten internationalen Gemeinschaft gewonnen, nicht nur in der Europäischen Union."
Oppositionsführer Janez Jansa sprach dagegen von einer "Niederlage für Slowenien". "Wer heute zurecht feiern und die Champagnerkorken knallen lassen kann, sitzt in Zagreb", sprach Jansa von einem "unermesslichen Schaden" für das slowenische Volk. Nachdem die Kroaten nach dem Zweiten Weltkrieg schon "die gesamte Adria" erhalten hätten, und durch die Grenzziehungen im kommunistischen Jugoslawien ebenfalls auf Kosten Sloweniens profitiert hätten, "winkt ihnen nun auch noch ein Teil des slowenischen Meeres. Davon haben sich vermutlich nicht einmal geträumt".
Das Grenzabkommen war im vergangenen November von den beiden Regierungschefs Borut Pahor und Jadranka Kosor unterzeichnet und später auch von den Parlamenten beider Staaten ratifiziert worden. Es sieht vor, dass Zagreb und Ljubljana ihren seit der Unabhängigkeitserklärung von Jugoslawien im Jahr 1991 ungelösten Streit einem fünfköpfigen Ad-hoc-Schiedsgericht überantworten und sich verpflichten, dessen Spruch zu akzeptieren. Dem Abkommen war eine zehnmonatige Blockade der EU-Beitrittsverhandlungen Kroatiens durch Slowenien vorausgegangen.
Nationalistische Töne
Zagreb hatte den slowenischen Zugang zu internationalen Gewässern bisher immer bekämpft. Es fordert zudem eine Teilung der Bucht von Piran, die Slowenien im Blick auf die Verwaltungspraxis im gemeinsamen Staat Jugoslawien zur Gänze für sich beansprucht.
Die Referendumskampagne war von nationalistischen Tönen geprägt. Premier Pahor musste sich als "Kollaborateur" mit der kroatischen "Besatzungsmacht" im Grenzgebiet beschimpfen lassen. Oppositionsführer Jansa bemühte Vergleiche mit der Kärntner Volksabstimmung 1920, als das mehrheitlich slowenische Südkärnten gegen einen Anschluss Jugoslawiens gestimmt hatte ("Man hat uns Kärnten, Triest und Görz weggenommen. Das Meer geben wir nicht her"). Aufwind bekamen die Gegner, als sich zahlreiche Rechtsexperten und angesehene Persönlichkeiten wie der "Vater der slowenischen Verfassung" und Ex-Parlamentspräsident France Bucar sowie der Literat Boris Pahor an ihre Seite stellten.
Der Grenzkonflikt zählt zu den hartnäckigsten bilateralen Streitigkeiten Europas. In den 1990er Jahren biss sich sogar Ex-US-Außenminister William Perry, den beide Seiten als Mediator geholt hatten, die Zähne an dem Nachbarschaftsstreit aus. Die Einigung der beiden Regierungschefs Janez Drnovsek und Ivica Racan auf ein bilaterales Grenzverlaufsabkommen im Jahr 2000 war nur von kurzer Dauer. Racan brachte das Abkommen damals nicht durch das kroatische Parlament.
Seitdem haben sich die Gräben an der Grenze weiter vertieft. Im September 2004 nahm die kroatische Polizei den slowenischen Umweltminister Janez Podobnik fest, als er ein von Ljubljana beanspruchtes Gebiet in der Nähe der Bucht von Piran betreten wollte. Im September 2006 bot die damalige Rechtsregierung von Premier Janez Jansa Spezialpolizisten auf, um den Bau eines Mur-Damms durch Kroatien zu unterbinden und damit den Anspruch Sloweniens auf das Gebiet im nordöstlichsten Zipfel des Landes zu bekräftigen. Im April 2008 schließlich verhinderten kroatische Polizisten die Exekution eines slowenischen Gerichtsurteils, mit dem der Grenzrebell Josko Joras die Entfernung von Blumentrögen vor der Einfahrt seines Grundstücks an der Piran-Bucht erreichen wollte. Die Blumentröge wurden schließlich doch entfernt, allerdings "freiwillig" von Kroatien.
"Sieg der Vernunft"
Außenminister Michael Spindelegger (V) hat am Montag den positiven Ausgang des slowenischen Referendums zum Grenzabkommen mit Kroatien begrüßt. "Das ist ein Sieg der Zukunftskräfte in Slowenien. Slowenien und Kroatien sind damit der endgültigen Lösung des Grenzkonflikts, der die Beziehungen zwischen beiden Staaten seit Jahren belastet, einen großen Schritt näher gekommen", sagte der Außenminister laut einer Aussendung seines Ministeriums. Das Ergebnis des Referendums beseitige einen "Stolperstein" auf Kroatiens Weg in die EU.

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