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Wie viel Politik im Islam steckt

Von Daniel Bischof

Politik

Begriffe wie Islamophobie und Politischer Islam bestimmen die Debatte. Was bedeuten sie? Der Versuch einer Einordnung.


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Islamophobie. Politischer Islam. Nur wenige andere Worte lösen derart heftige Debatten in Österreich aus. Quer durch Politik und Wissenschaft verlaufen die Bruchlinien. Wo manche Forscher berechtigte Kritik am Islam sehen, orten andere Muslimfeindlichkeit. Wo manche Politiker gegen den Politischen Islam in den Kampf ziehen, fragen andere, ob es diesen überhaupt gibt.

Für Aufsehen sorgt nicht nur das Anti-Terror-Paket der Bundesregierung, das sich auch gegen den Politischen Islam richtet. Am Dienstag erklärte die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), dass sich ihr Militär-Imam von seinem Posten beim Bundesheer zurückzieht. Das Militär hatte zuvor die Zusammenarbeit mit ihm beendet und die IGGÖ aufgefordert, ihn abzuziehen. Der Imam soll Sympathien für eine Dschihad-Bewegung in Bosnien gezeigt haben. Die IGGÖ kritisierte eine "beispiellose Kampagne" und sah "diffuse Vorwürfe".

Debatten gibt es auch um den Politologen Farid Hafez von der Uni Salzburg. Hafez war von der Razzia gegen mutmaßliche Mitglieder der Muslimbrüder und Fatah betroffen. In einem Text rückte er die Razzia in den Kontext der Novemberpogrome 1938 und die Unterdrückung der Uiguren in China. Er warf der Bundesregierung vor, sich in eine "totalitäre Richtung" zu bewegen.

Distanzierung von Uni

Die Uni Salzburg distanzierte sich von ihrem Wissenschafter. "Der Vergleich Österreichs mit einer Diktatur ist völlig unangemessen, auch wenn es als Provokation gedacht ist", sagt Reinhard Heinisch, Leiter der Abteilung Politikwissenschaft. Das Rektorat prüft rechtliche Konsequenzen.

Hafez hat die Migrations- und Integrationspolitik der türkis-blauen und der türkis-grünen Regierung in den vergangenen Jahren scharf kritisiert. Der Politologe ist Herausgeber des umstrittenen "European Islamophobia Report". In dem Bericht wird Politikern, Wissenschaftern und Medien Islamfeindlichkeit vorgeworfen. Heinisch betont, dass der "Islamophobia Report" nichts mit der Uni Salzburg zu tun habe.

Wissenschaft uneins

Die Diskurse werfen die Frage auf, was unter den Begriffen Politischer Islam und Islamophobie verstanden werden kann. Die Lehre ist dazu uneins.

Der Islamwissenschafter Rüdiger Lohlker von der Uni Wien lehnt die Beschreibung Politischer Islam ab: "Das ist für mich kein Begriff, da er nicht bestimmt genug ist. Das ist ein nicht-reflektiertes Wort." Es mangle an einer klaren Definition, bisherige Versuche seien misslungen.

"Wann ist etwas islamisch und wann politisch? Das lässt sich kaum abgrenzen", sagt Lohlker. Untersuche man das Wort auch in einem weiteren Kontext, zeige sich, dass es vor allem als Synonym für einen "bösen Islam" verwendet werde: "Es ist zu einem Kampfbegriff geworden und wird oft für einen pauschalen Angriff auf den Islam verwendet."

Anders sieht das der Islamforscher Mouhanad Khorchide von der Uni Münster. Er leitet den wissenschaftlichen Beirat der "Dokumentationsstelle Politischer Islam" in Österreich. Diese definiert den Politischen Islam als "Herrschaftsideologie, die die Umgestaltung bzw. Beeinflussung von Gesellschaft, Kultur, Staat oder Politik anhand von solchen Werten und Normen anstrebt, die von deren Verfechtern als islamisch angesehen werden, die aber im Widerspruch zu den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates und den Menschenrechten stehen".

Bei dem Versuch, den Diskurs um den Politischen Islam zu verdrängen, handle es sich "vor allem um eine Strategie", schrieb Khorchide in der "Presse". Eine Strategie, um "erstens einen Opferstatus der Muslime zu etablieren und zweitens, sich selbst vor jeglicher Form der Kritik zu immunisieren". Begriffe wie "Islamfeindlichkeit und Islamophobie seien zu "Kampfbegriffen des Politischen Islam" geworden.

"Es ist eine ideologische Debatte, die Begriffe werden nicht immer trennscharf verwendet", sagt der Orientalist und Fachautor Michael Kreutz. Früher habe man etwa statt vom Politischen Islam vom "fundamentalistischen Islam oder von neomuslimischen Bewegungen gesprochen".

Im Kern laufe es auf die Definition hinaus, so Kreutz: "Manchmal dient der Politische Islam nur als Synonym für Islamismus - die Idee, dass Islam und Scharia eine zentrale Rolle in der Gesellschaft spielen sollen. Diese Definition halte ich für in Ordnung." Das gelte nicht für "Sprachspielereien", wonach der Politische Islam etwa "Engagement für die Demokratie aus dem Geiste der Religion heraus" sei: "Das macht den Begriff beliebig und damit unbrauchbar."

Teils lasse sich die Diskrepanz in der Lehre dadurch erklären, dass die Forscher unterschiedliche Blicke auf die Geschichte der Religion haben, sagt Kreutz. "Unter dem Banner des Islam wurden in der Geschichte säkulare Ziele verfolgt, progressive Politiken kamen meist von der Staatsmacht. Den Widerstand führten meist die Gelehrten, die religiöse Normen entworfen haben, welche das gesamte öffentliche und private Leben regeln sollten. Viele Menschen haben im Alltag nach diesen Regeln des Islams gelebt." Daher sei der Widerstand gegen gesellschaftliche Reformvorstellungen meist von unten gekommen, wie etwa bei den Muslimbrüdern.

Es habe weder eine "völlige Trennung von Staat und Religion noch eine völlige Einheit von Religion und Alltagspraxis gegeben", so Kreutz. "Es war eine Art Schwebezustand. Das hat sich bis heute fortgesetzt." Je nachdem, ob man eher den Säkularismus oder die religiöse Einheit als dominant ansehe, beeinflusse das die Beurteilung des Islam in der Geschichte.

"Große Teile des Lebens waren in islamischen Gesellschaften nicht religiös dominiert, auch wenn es die Gelehrten gerne so gehabt hätten", sagt Lohlker. Auch stelle sich die Frage, wann die Begriffe Säkularismus und Religion als separate Sphären entstanden sind: "Im Mittelalter hat niemand Sultan X als säkular oder religiös eingeordnet. Das ist erst in der Neuzeit gekommen."

Dominanz des Kollektivs

Auch beim Begriff der Islamophobie sei fraglich, wie man ihn definiere, sagt Kreutz. "Rechtsextreme, die Moscheen beschmieren oder Schweineköpfe davor werfen; Menschen, die in allem, was Muslime machen, nur Negatives sehen: Die sind islamophob. Das ist inakzeptabel und muss gestoppt werden. Daher würde ich diesen Begriff nicht verwerfen."

In der Praxis werde der Begriff Islamophobie inflationär verwendet und "ideologisch missbraucht, um jede Kritik am Islam in ein schlechtes Licht zu rücken". Das hänge mit dem Kollektivismus zusammen, der in muslimischen Gesellschaften vorherrsche: "Wichtig sind die Kollektive: die Gemeinschaft, die Religion, die Familie. Es gibt wenig Spielraum für Individualismus." Doch sei Individualismus "wichtig für Kritik und eine breite Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte".

Lohlker sieht den Begriff Islamophobie kritisch. Er werde unreflektiert verwendet und politisch instrumentalisiert, etwa von Saudi-Arabien oder der Türkei. Auch suggeriere der Begriff, dass das Objekt der Phobie durch und durch islamisch sei: "Aber diese volle muslimische Identität gibt es nicht." Er verwende daher das Wort Rassismus. Wann dieser vorliegt, müsse im Einzelfall untersucht werden, etwa, wenn "Muslimen gewisse Eigenschaften durch abwertende Vorurteile zugeschrieben werden".

Artikel als "Überreaktion"

Politologe Heinisch erklärt, dass an Universitäten für kontroverse Diskussionen Platz sein müsse. Daher gebe es an der Uni Salzburg auch ein breites Spektrum an Lehrenden - von konservativen Militärs bis hin zu Linken und Grünen. Es müsse legitim sein, sowohl die Religionspolitik der Regierung als auch den Islam zu kritisieren, sagt Heinisch.

Allerdings dürften keine extremistischen und antidemokratischen Ansichten verbreitet werden. "Das war bei Hafezs Artikel nicht der Fall, auch wenn er einen absolut unpassenden Vergleich verwendet hat. Auch bei uns auf der Uni hat Hafez nie Ansichten vertreten, die illiberal oder politisch extrem waren." Heinisch hält den Artikel für eine "Überreaktion auf die Razzia und die Diskussion der Regierung, den politischen Islam verbieten zu wollen".

Es müsse berücksichtigt werden, dass ein österreichischer Wissenschafter mit arabischen Wurzeln vielleicht eine andere Sicht als andere österreichische Forscher zum Islam habe, weil er direkt betroffen ist, so Heinisch: "Da gibt es verschiedene Empfindlichkeiten. Das muss zulässig sein." Ein Politologe dürfe "in seinem Aktivismus aber nicht so weit gehen, dass das Ansehen der Universität Schaden nimmt" - so, wie es Hafez mit seinem Text getan habe.