)
Studie: SPÖ und ÖVP setzten 55 Prozent ihrer Wahlversprechen von 2008 um.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Nur noch drei Tage bis zur Nationalratswahl, und die Parteien versuchen noch einmal, mit Wahlversprechen zu mobilisieren. Doch welche Bedeutung haben diese nach der Nationalratswahl?
Eine Analyse der Wahlversprechen von 2008 kommt zum Ergebnis, dass es sich auszahlt, sich im Vorfeld über das Angebot der Parteien zu informieren. Die Studie überprüfte alle Versprechen, die SPÖ und ÖVP 2008 in ihren Wahlprogrammen formuliert haben. Ein Wahlversprechen ist dabei eine konkrete Forderung einer Maßnahme (zum Beispiel: steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten) oder eines Ergebnisses (zum Beispiel: Senkung Armutsgefährdung kinderreicher Familien), deren Umsetzung nach Ablauf der Legislaturperiode objektiv beurteilt werden kann. In ihrem Wahlprogramm gab die SPÖ damals 144, die ÖVP 69 Wahlversprechen ab. 21 Vorschläge fanden sich sowohl bei der SPÖ als auch bei der ÖVP. Damit testete die Studie 192 Wahlversprechen auf ihre Umsetzung. Die Überprüfung der Vorschläge erfolgte auf Basis von Informationen des Rechtsinformationssystems des Kanzleramts, Parlamentsdokumenten sowie Medienberichten. Auch teilweise erfüllte Wahlversprechen, beispielsweise eine Steigerung der Forschungs- und Entwicklungsquote in einem geringeren Ausmaß als angedacht, wurden als erfüllt gewertet. Insgesamt wurden während der vergangenen Legislaturperiode 55 Prozent der Versprechen zumindest teilweise umgesetzt. Die ÖVP konnte 61 Prozent umsetzen, der SPÖ gelang dies in 56 Prozent der Fälle. Insgesamt liegt die Koalition damit im europäischen Durchschnitt.
Ob es den Parteien gelingt, ihre Wahlversprechen zu realisieren, hängt vor allem vom Koalitionspartner ab. Sind sich beide Partner einig, oder konnte während der Koalitionsverhandlungen Einigung erzielt werden, dann steigt die Wahrscheinlichkeit. Aber auch der Inhalt, die Verteilung der Ministerien sowie die Dauer der Legislaturperiode bestimmen die Erfolgswahrscheinlichkeit. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Wahlversprechen, die die Beibehaltung der aktuellen Gesetzeslage versprechen, so gut wie nie gebrochen werden. Die Änderung des Status quo gegen den Willen des Koalitionspartners ist ein schwieriges Unterfangen. Das hat auch Auswirkungen auf den aktuellen Wahlkampf: Die SPÖ verspricht, dass sie das Frauenpensionsalter nicht anheben wird, die ÖVP, dass mit ihr die Erbschafts- und Schenkungssteuern nicht wieder eingeführt werden. Sollten diese Parteien nach dem 29. September wieder an einer Regierung beteiligt sein, dann haben diese beiden Forderungen besonderes politisches Gewicht.
Wie schneidet die Koalition im Vergleich zu früheren Regierungen ab? Das Kabinett Schüssel II (ÖVP-FPÖ/BZÖ) konnte 57 Prozent seiner Versprechen umsetzen, die jeweils vorzeitig beendeten Koalitionen Schüssel I (ÖVP-FPÖ) und Gusenbauer (SPÖ-ÖVP) kamen auf 38 beziehungsweise 48 Prozent.
Zu den AutorInnen
Katrin Schermann ist Projektmitarbeiterin bei der Österreichischen Nationalen Wahlstudie (Autnes). Ihr Forschungsinteresse umfasst Wahlforschung, Parteienwettbewerb, Parteiensysteme, Reformprozesse.
Laurenz Ennser-Jedenastik ist Erwin-Schrödinger-Fellow an der Universität Leiden (Niederlande). Er forscht zu Parteien, Postenbesetzungen, Koalitionspolitik, Regulierung.