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Wie viel Wissen jeder Euro bringt

Von Eva Stanzl

Wissen
Zellteilung, so wie sie sein soll: Die Zelle verdoppelt ihren Chomosomensatz, um sich dann zu teilen. Die Tochterzelle muss das idente Erbgut der Elternzelle in 72 Chromosomen besitzen. Geht etwas schief, kann Krebs entstehen. Foto: MedicalRF.com/Corbis

Österreicherin ist eine der Top-Forscherinnen in der US-Krebsforschung. | Ihr Verständnis von der Zellteilung könnte auch Down-Syndrom verhindern. |
§§"Wiener Zeitung": Als Professorin für Molekularbiologie am Massachusetts Institute of Technology (MIT) untersuchen Sie die Mechanismen der Zellteilung. Warum ist das wichtig, um Krebs zu besiegen? * | Angelika Amon: Zellteilung bildet neues Gewebe im Körper. Wir untersuchen, wie die Chromosomen in den Zellen teilen, die das Erbmaterial DNA enthalten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Mensch hat 72 Chromosomen in jeder Zelle. Bei ihrer Teilung erzeugt die Zelle zuerst in ihrem Kern eine Kopie des eigenen Chromosomensatzes. Danach zieht der Spindelapparat im Zellkern die Zelle auseinander, sodass sich in den beiden neuen Zellen je 72 Chromosomensätze mit dem identen Erbgut der Elternzelle auf dem richtigen Platz finden. Der Prozess ist kompliziert, weil die Zelle sicher sein will, dass es 100-prozentig funktioniert. Denn Zellen, die ein Chromosom zu wenig haben, sterben. Jene mit zu vielen Chromosomen können hingegen zu Krebszellen werden. 90 Prozent der Tumorzellen haben einen falschen Chromosomensatz - meist sind es zu viele. Wir untersuchen die Gründe dafür, ob die Zelle davon einen Vorteil hat und was Zellen mit einem falschen Chromosomensatz anders machen. Sinnvoll wäre ein Medikament, das ausschließlich diese Zellen tötet.

Was also tun Krebszellen anders?

Sie sind gestresster. Weil sie zu viele Chromosomen haben, produzieren sie zu viele Proteine. Das macht die Zellen unrund.

Wie weit sind Sie von einem Medikament gegen Krebs entfernt?

Wir sind am Anfang. Kombinationstherapien sind aber wohl am vielversprechendsten. Brustkrebs hat man heute mit einer Kombinationstherapie gut im Griff. Leukämie hingegen spricht auf eine Einzeltherapie an. Je mehr verschiedene Schwachpunkte wir in Krebszellen feststellen, desto größer ist die Hoffnung, dass wir die Krankheit besiegen.

Fehler bei der Zellteilung (Aneuploidien) sind auch schuld, wenn sich ein befruchteter Embryo nicht einnistet oder ein Kind behindert ist. Könnten Sie auch Fehlverteilungen früh im Leben vermeiden?

Unser Ziel ist, Zellen mit falschen Chromosomverteilungen zu töten - das wollen wir zu Beginn des Lebens nicht. Was aber sinnvoll ist, ist lebensfähige Aneuploidien wie Down-Syndrom (Trisomie 21) besser zu verstehen und vielleicht zu verhindern. Wir könnten à la longue herausfinden, warum Menschen mit einem zusätzlichen Chromosom 21 Herzfehler und eingeschränkte kognitive Fähigkeiten haben. Auf dem zusätzlichen Chromosom gibt es zusätzliche Gene. Wenn wir herausfinden, welche von ihnen für die Fehler verantwortlich sind, könnten wir ihre Aktivität hemmen. Vermutlich liegt es an einer Kombination von Genen.

Sie sind eine von nur 300 Wissenschaftern, deren Arbeit von der prestigeträchtigen Howard Hughes Stiftung finanziert wird. Viele heimische Forscher finden, dass Österreich sich an den USA orientieren sollte, wenn wir zur Spitze gehören wollen. Wir haben aber weniger Geld. Was machen die USA besser?

Sie geben jungen Leuten früh Geld und lassen sie unabhängig arbeiten. Man bekommt nicht ein Labor mit zwei Dissertanten und einem Techniker, sondern mehr. Ich selbst habe 18 Mitarbeiter, was für US-Verhältnisse klein ist.

Die staatlichen Universitäten, deren Studiengebühren relativ niedrig sind, konzentrieren sich in erster Linie auf die Lehre. An den Privatunis mit hohen Studiengebühren wird hingegen die meiste Forschung betrieben. Für jede Privat-Uni liegt ein hoher Geldbetrag (Endowment) auf der Bank. Die Uni deckt ihre Betriebskosten und Gehälter mit den Zinsen.

Das klingt gut, ist aber auch hart. Etwa bekomme ich mein Fixgehalt von der Uni nur für neun Monate. Auch für mein Labor bekomme ich kein Geld. Würde ich keine Drittmittel einwerben, müsste ich das Labor zusperren und hätte kein Gehalt im Sommer. Das Leben als Forscher in den USA ist härter als in Österreich. Wer hier ein Ordinariat hat, muss sich keine Sorgen mehr machen. Es ist gut möglich, dass es sich auf die Wettbewerbsfähigkeit niederschlägt, ob man sich alljährlich bewähren muss oder nicht.

Österreichs Unis finanzieren ihre Forschungsprojekte zu einem maßgeblichen Teil über den Wissenschaftsfonds FWF, der nun auch wieder für die Nebenkosten von Projekten aufkommt. 70 geförderte Vorhaben erhalten 20 Prozent der Projektsumme zusätzlich. Wohin fließt das Geld genau?

Präsident Christoph Kratky setzt auf Einzelprojekte. Derzeit herrscht die Tendenz, Großprojekte zu finanzieren, die außer Sichtbarkeit wenig bringen. Wenn man die DNA aller Krebsarten sequenziert, hat man zwar Daten für die Forschung, wissenschaftlich kann man daraus aber wenig lernen. Der Grund, warum Österreich in der Biotechnologie gut ist, ist weil Einzelprojekte gefördert wurden, und mehrere davon ergeben einen Schwerpunkt. Die Frage ist, wie viel Wissen man für seinen Euro kriegt. Denken Sie an Penicillin: Es wurde von einer Gruppe um Alexander Fleming entdeckt, die verstand, wie der Mechanismus funktioniert. Seither ist die Lebenserwartung gestiegen.

Zur Person

Angelika Amon (44) ist Professorin für Molekularbiologie am Massachusetts Institute of Technology. Sie promovierte 1993 an der Uni Wien und ging 1994 in die USA. Amon ist Aufsichtsratsmitglied des Wissenschaftsfonds FWF und Mitglied des Beirats des IST Austria, wo sie diese Woche für einen Vortrag gastierte. Das 2007 gestartete IST beschäftigt 15 Professoren und lädt regelmäßig Spitzenforscher ein. Foto: IST Austria