Wohlstand versus Umweltschutz: Der Kampf gegen den Klimawandel wird zunehmend zur sozialen Frage.
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Es gibt ein Grundrecht auf Klimaschutz und Generationengerechtigkeit. Das urteilte Ende April das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und zwang die deutsche Bundesregierung, beim Klimaschutzgesetz nachzubessern. Die EU-Staaten haben sich im Rahmen des New Green Deal darauf geeinigt, ihre CO2-Emissionen bis 2030, um 55 Prozent zu senken, bis 2050 will die EU klimaneutral sein. Und am Dienstag gab auch die Internationale Energieagentur (IEA) bekannt, dass es möglich sei, den CO2-Ausstoß global bis 2050 auf null zu senken, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu halten. Das allerdings nur unter immensen Anstrengungen und mit grundlegenden Verhaltensänderungen.
Um den Klimawandel in den Griff zu bekommen, sind diese Klimaziele wichtig und alternativlos. Nun ist aber eine Debatte darum entstanden, mit welchen Maßnahmen man sie erreicht. Und wen man damit trifft. Billigflüge, Billigfleisch, billige Massenware - der Massenkonsum der globalisierten Welt hat auch Menschen mit kleinen Einkommen Teilhabe am wirtschaftlichen Leben und Konsum ermöglicht. Oder anders gesagt: Für eine vierköpfige Familie mit einem Monats-Nettoeinkommen von 1.500 Euro macht es einen spürbaren Unterschied, ob das T-Shirt für die Kinder 5 oder 20 Euro kostet und das Kilogramm Fleisch 4 oder 14 Euro. Wenn künftig CO2 und klimaschädliches Verhalten stärker bepreist werden, läuft man je nach Ausgestaltung der Maßnahmen gefahr, die Ungleichheit zu verstärken und einkommensschwache Haushalte überproportional härter zu treffen.
Grundrecht auf Flüge?
Tatsächlich ist die absolute Armut weltweit in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Laut Weltbank lebten Mitte der 1980er-Jahre 30 Prozent der Weltbevölkerung in absoluter Armut. 2015 waren es nur noch 8,5 Prozent. Im gleichen Zeitraum hat allerdings die die Vermögensverschiebung nach oben deutlich zugenommen.
Gibt es also, ähnlich dem Grundrecht auf eine saubere Umwelt, das Grundrecht auf Fleisch und Flüge für alle? Der deutsche Klima-Ökonom und "Zeit"-Kolumnist Felix Ekardt sagt "Nein". Soziale Gerechtigkeit und der Kampf gegen den Klimawandel dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. In den meisten liberalen Demokratien gäbe es ein Verfassungsrecht auf das Existenzminimum, aber auch dieses sei durch den fortschreitenden Klimawandel, Umweltverschmutzung, Häufung von Naturkatastrophen in Gefahr.
Erst kürzlich haben geleakte Teile des geplanten Klimaschutzgesetzes von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) für Aufsehen gesorgt. Das Gesetz soll im Juni in den Ministerrat kommen. Demnach ist eine sogenannte "Notbremse" vorgesehen. Wenn bestimmte Klimaziele nicht erreicht werden, könnte etwa die Mineralölsteuer laut "Krone" um bis zu 50 Prozent angehoben werden.
Nun wird daran kritisiert, dass dadurch vor allem Haushalte mit niedrigeren Einkommen belastet würden, die ältere Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor besitzen und eher in Wohnung mit veralteten Öl- und Gasheizungen wohnen. Im Umweltministerium verteidigt man das Gesetzesvorhaben. Die "Notbremse" sei nur eine von zahlreichen Maßnahmen zur Senkung der Emission und als letzten Ausweg gedacht. Zudem sollen höhere Einkommen, die auch deutlich mehr emittieren, auch einen höheren Beitrag leisten. Klar ist auch, dass wenn Österreich seine Klimaziele, die Treibhausgase bis 2030 zu halbieren, nicht erreicht, bis zu neun Milliarden Euro an Strafzahlungen leisten muss.
Ausgleich für CO2-Preise
"Das Klimaschutzgesetz ist aus unserer Sicht sehr sinnvoll. Es ist aber wichtig, dass man keinen Gegensatz von sozialer Gerechtigkeit und Klimaschutz schafft", sagt Dominik Berndorfer von der Arbeiterkammer (AK). Eine Studie der WU Wien im Auftrag der AK kommt etwa zum Ergebnis, dass kleinere und mittlere Einkommen von einer CO2-Bepreisung stärker betroffen wären als Einkommen in den höheren Perzentilen. Auch Vorhaben wie faire Produktionsbedingungen entlang der Lieferketten und nachhaltige, faire Tierhaltung seien zwar gut und wichtig. Sie führen aber zu einer Verteuerung der Produkte, was wiederum ärmere Haushalte stärker trifft.
"Die Klimapolitik allein kann die soziale Frage nicht lösen", sagt Berhofer zur "Wiener Zeitung". Es sei wichtig, wie die Einnahmen aus der CO2-Steuer umverteilt würden. Die AK plädiert etwa für einen sogenannten "Ökobonus plus". Dieser beinhaltet eine pauschale Pro-Kopf-Rückzahlung unter Berücksichtigung der Anzahl der Kinder im Haushalt und der Einkommenssituation.
Stadt statt Land
Laut Margit Schratzenstaller, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), würde eine höhere Bepreisung beim Treibstoff die niedrigsten Einkommen kaum belasten, weil viele kein Auto habe. CO2-Steuern auf Heizstoffe und Strom hingegen würden ärmere Haushalte, die in nicht sanierten Wohnungen mit Ölheizungen leben, stärker treffen. "Die CO2-
Bepreisung ist ein sehr wichtiges Instrument, sie muss aber in weitere Verteilungsmaßnahmen eingebettet werden", sagt sie, etwa den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel oder Gebäudesanierung. Man könne bei der Pendlerpauschale ansetzen. Derzeit profitieren höhre Einkommen davon. Schratzenstaller plädiert dafür, Fahrrad- oder Öffi-Kilometer steuerlich stärker zu begünstigen.
Einen radikalen Ansatz brachte Felix Ekhart ins Spiel: Jeder und jede bekommt ein jährliches CO2-Konto für Flugkilometer, Konsumgüter und ähnliches, unabhängig vom Einkommen, das nicht überschritten werden soll. In liberalen, marktwirtschaftlichen Demokratien ist das aber politisch kaum umsetzbar. Der Klimaökonom Gernot Wagner sieht in seinem neuen Buch "Stadt.Land.Klima" im technologischen Fortschritt und im städtischen Leben einen möglichen Ausweg aus der Klimakrise. Das Großstadtleben sei aufgrund von öffentlicher Infrastruktur, kompakterem Wohnbau und Arbeitsteilung energieeffizienter als das Leben im Speckgürtel. Das Haus im Grünen würde inklusive Pendeln würde mehr CO2 verursachen.