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Wie viel Zucker hat das Bier?

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU-Parlament fordert Angaben über Kaloriengehalt alkoholischer Getränke.


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Brüssel/Straßburg. In einigen Ländern ist das Bildchen schon auf Bierflaschen zu sehen. Eine Frauenfigur mit gewölbtem Bauch in einem rot durchgestrichenen Kreis soll darauf aufmerksam machen, was sich in breiten Teilen der Öffentlichkeit mittlerweile herumgesprochen hat: Trinken in der Schwangerschaft kann für das Ungeborene schädlich sein. Geht es nach dem EU-Parlament, könnten solche Warnhinweise Pflicht werden. Die Gefahren des Alkohols für werdende Mütter, Jugendliche oder Autofahrer sollen verstärkt ausgewiesen werden, fordern die Parlamentarier in einer Resolution. Und lassen Skeptiker - ähnlich wie bei der Etikettierung von Zigarettenschachteln mit abschreckenden Bildern - daran zweifeln, ob sich Schwangere und junge Menschen von einer Aufschrift auf dem Behälter vom Alkoholkonsum abbringen lassen.

Aber nicht zuletzt das Argument des Jugendschutzes dient den EU-Mandataren gerade als Erklärung für die Initiative, die aus zwei Teilen besteht. Die Kennzeichnung, die neben Warnhinweisen vor allem Angaben über Kaloriengehalt und Inhaltsstoffe umfassen soll, ist das eine. Das andere ist eine Aufforderung an die EU-Kommission, eine neue Strategie über den Umgang mit Alkohol zu prüfen. Die alte ist nämlich bereits ausgelaufen.

Warnung an Autofahrer

Nun sollte einmal mehr dem "Schutz jugendlicher Verbraucher" Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nach dem Wunsch des Parlaments sollten die Staaten etwa dafür sorgen, dass die Vorschriften zum Mindestalter für den Alkoholkonsum "rigoros" durchgesetzt werden, und sollte die Kommission dem "grenzüberschreitenden Alkoholverkauf im Internet" entgegentreten. Immerhin sei in einigen EU-Ländern der Missbrauch von Alkohol der zweithäufigste Grund für Krankheiten, und weltweit seien mehr als drei Millionen Todesfälle jährlich darauf zurückzuführen, heißt es aus der Volksvertretung. In der Altersgruppe der 20- bis 39-Jährigen seien gar ein Viertel der Todesfälle dem geschuldet, wobei Unfälle oder Gewalt ebenso berücksichtigt werden wie Leberkrankheiten.

Schockbilder von zerfressenen Lebern, ähnlich den Fotos von krankhaft verschrumpelten Lungen auf Zigarettenpackungen, sind trotzdem nicht Gegenstand der derzeitigen Debatte. Bei den diskutierten Aufschriften handelt es sich vielmehr um Angaben zu Zutaten und Nährwerten, wie sie bei Lebensmitteln großteils schon Pflicht sind. Alkoholische Getränke waren damals nicht Teil der Regelung, was einige Konsumentenschutz-Organisationen als Anlass zu Kritik nahmen.

Vielen Menschen sei nämlich gar nicht bewusst, wie viel Zucker Alkohol oder die aus Süßgetränken und Spirituosen gemischten Alkopops enthalten, erklärt die SPÖ-Abgeordnete Karin Kadenbach. Es gehe daher um Aufklärung und Information, nicht um Verteufelung: Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Alkohol sei das Ziel. Die Warnhinweise für Schwangere und Autofahrer vergleicht Kadenbach mit Warnungen bei Medikamenten vor einer möglichen Einschränkung der Fahrtüchtigkeit.

Die ÖVP-Mandatarin Elisabeth Köstinger hingegen mahnt, die Etikettierung bei der Bekämpfung von Missbrauch nicht als "Allheilmittel" zu sehen. Die Alkoholstrategie dürfe sich nicht in einem "Kennzeichnungs-Dschungel" verirren. Wichtiger sei eine Informationskampagne, wobei zwischen dem Konsum von Alkohol und dessen Missbrauch klar zu unterscheiden sei. Weitgehende Eingriffe beim Alkoholvertrieb lehnt Köstinger ebenfalls ab: Das Argument des Jugendschutzes "darf nicht zum Verkaufsstopp im Wirtshaus am Dorfplatz führen, wenn 300 Meter daneben eine Volksschule steht".

Umstrittene Strategien

Die Debatte in der Plenarsitzung des Parlaments in Straßburg ist jedenfalls nur der Anfang einer weiteren Diskussion, die möglicherweise in Brüssel fortgesetzt wird. Die Erarbeitung einer neuen Strategie zum Umgang mit Alkohol stand bisher nicht im Fokus der EU-Kommission, die im Vorjahr mit dem Anspruch angetreten ist, keine überbordenden Regulierungen zu forcieren. Das Vorhaben, EU-weit Warnhinweise einzuführen, könnte sich zu einem ähnlich zähen Ringen gestalten wie bei der Kennzeichnung auf Zigarettenschachteln. Damals machten Konsumentenschutz- und andere Organisationen Lobbying dafür, während sich Produzenten dagegen aussprachen.

Auf Widerstand ist die Kommission bereits mit einer eigenen Initiative zur Vermeidung von Unfällen unter Alkoholeinfluss gestoßen. Erst vor wenigen Tagen drängte die Behörde auf die generelle Einführung von Alkoholmessgeräten in Kombination mit Wegfahr-Sperren in Fahrzeugen, was allerdings den Ländern überlassen bleibt. Autobauer lehnen dies mit dem Hinweis auf erhebliche Kosten ab. Diese müsste die Mehrheit der Autofahrer tragen, die sich nichts zu Schulden kommen lassen.