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Wie viele Pkw bekommt man für 1,5 Billionen Euro?

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Ressortchef Ausland der "Salzburger Nachrichten".
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Man muss keineswegs Pazifist sein, um den Zweck gigantischer Rüstung und boomenden Waffenhandels zu hinterfragen.


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Weltweit boomt die Rüstung. Das kostet heuer mindestens 1,5 Billionen Euro - ungefähr, weil etliche Mächte ihre Ausgaben nicht aufdecken. 1,5 Billionen Euro - das wären 75 Millionen Pkw zum Preis von je 20.000 Euro. Bei 10 Quadratmetern Flächenbedarf je Pkw bedürfte das eines 15.000 Quadratkilometer großen Parkplatzes - die Fläche Tirols und Vorarlbergs.

Derzeit tobt kein klassischer Krieg zwischen zwei Staaten, doch in 17 Staaten wird bis zur Intensität eines Bürgerkriegs gekämpft. Solche Konflikte gehen niemanden etwas an, denn das Völkerrecht verbietet jede Einmischung in innere Angelegenheiten eines souveränen Staates. So argumentierte der russische Außenminister Sergej Lawrow im Fall Syrien. Es ginge daher auch niemanden etwas an, wie Russland in Tschetschenien oder im Kaukasus verfährt. Staaten teilen Militär und Polizei das Waffenmonopol und damit die Aufgabe zu, das Volk zu schützen. Unter dem Vorwand "Souveränität" nützen Regierungen wie in Syrien, Nordkorea, Simbabwe oder Weißrussland das Waffenmonopol, um sich gegen das Volk zu schützen. Dafür decken sie sich auf dem Waffenmarkt ein.

Das Rüstungsgeschäft lebt auch von Rivalitäten wie zwischen den Atommächten Indien und Pakistan. Indien kaufte 2011 für 2,8 Milliarden Euro Waffen, obwohl 53 Prozent der Haushalte über keine Toilette verfügen. Pakistan steckt 3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in das Militär. Indien wähnt sich in der Zange zwischen den "Bündnispartnern" China und Pakistan, Zweiteres hingegen sieht sich zwischen Indien und Russland eingeklemmt. Wegen des Dauerkonflikts um ägäische Inseln gibt die Türkei 5,3 Prozent des BIP für das Militär aus und das bankrotte Griechenland 4,3 Prozent. In beiden Fällen machen ausgerechnet Nato-Verbündete gute Gewinne. Daran hängen immerhin Arbeitsplätze. Deutschland ist der weltweit fünftgrößte Waffenexporteur, davon leben 90.000 Arbeiter. Saudi-Arabien soll 200 hochmoderne deutsche Panzer bekommen - wofür? Geostrategen verweisen auf ein regionales Gegengewicht zum Iran, Menschenrechtler auf den Selbstschutz eines autoritären Regimes.

Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte in Wahlkampf an, binnen zehn Jahren 580 Milliarden Euro in die Rüstung zu stecken, um die "nationale Souveränität über die Rohstoffe zu sichern" und die Wirtschaft anzukurbeln. Die USA sind der weltgrößte Waffenproduzent, knapp 40 Prozent des Budgets gehen an das Militär. Dessen Gewicht auf dem Arbeitsmarkt bedarf keines Kommentars.

Moralpredigten helfen gegen den Rüstungsaufwand ebenso wenig wie der Hinweis, dass die globale Entwicklungs- und Hungerhilfe nicht einmal auf 10 Prozent des Waffenhandels kommt. Nationale Sicherheit fällt genauso unter Souveränität wie die Frage, was Staaten mit ihren Waffen anfangen. So bleibt allenfalls Trost in einem Satz, mit dem der römische Stratege Vegetius um 390 Geschichte geschrieben hat: "Willst du Frieden, so rüste für den Krieg." Das mag viele Kriege verhindert, aber auch Tyrannen ermuntert haben, einem Volksaufstand mit Aufrüstung vorzubeugen.