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Wie weit reicht die Freundschaft?

Von Gerhard Lechner

Politik

Russland und Belarus rücken zusammen - doch die enge Partnerschaft hat auch ihre Grenzen.


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Werden Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko am Ende doch noch gute Freunde? Gemessen daran, dass das Verhältnis der Staatschefs von Russland und Belarus lange Zeit als ziemlich angespannt galt, ist in letzter Zeit zwischen Minsk und Moskau ein echter Honeymoon ausgebrochen: Im November erst unterzeichneten die beiden Präsidenten einen Vertrag zum weiteren Aufbau des gemeinsamen Unionsstaates.

War die Stimmung zwischen Minsk und Moskau im Vorfeld der Präsidentenwahl 2020 noch vergiftet - Lukaschenko hatte die Befürchtung, Russland könne den Oppositionskandidaten Wiktor Babariko unterstützen und eventuell sogar einen Putsch planen -, so ist sie mittlerweile (zumindest nach außen hin) amikal. Seitdem sich Lukaschenko im Vorjahr mit dem brutalen Vorgehen gegen seine Kritiker nach der offensichtlich gefälschten Wiederwahl die Option Westen verbaut hat, ist er mehr denn je auf die Unterstützung Russlands angewiesen. So manch westlicher Beobachter fürchtet, dass die Häufung der Treffen zwischen den beiden Staatsoberhäuptern das nahe Ende der weißrussischen Unabhängigkeit bedeuten könnte. Schließlich habe Lukaschenko gegen die Begehrlichkeiten des Kremls nichts mehr in der Hand.

Manöver im Frühjahr

Auch am Mittwoch gab es eine erneute Zusammenkunft: Putin empfing seinen belarussischen Kollegen in St. Petersburg zu einem Vier-Augen-Gespräch. Über was genau gesprochen wurde, war im Vorfeld des Treffens noch unklar - etwaige Inhalte wurden nicht öffentlich bekanntgegeben. Die Geheimniskrämerei rund um das Treffen verstärkte mit der Häufigkeit der Zusammenkünfte der beiden Politiker die Spekulationen um einen Souveränitätsverlust Weißrusslands.

Schließlich sieht bereits der im November beschlossene Vertrag ganze 28 Integrationsprogramme vor, darunter auch eine gemeinsam abgestimmte Militärdoktrin. Putin gab bei dem Treffen zudem bekannt, dass die beiden Staaten im kommenden Februar oder März zusammen Manöver abhalten werden. Außerdem haben russische und belarussische Kampfjets am Mittwoch einen gemeinsamen Flug an der weißrussischen Grenze durchgeführt. Lukaschenko hatte bereits angekündigt, dass Belarus bei einem Konflikt Russlands mit der Ukraine an der Seite des Kremls stehen würde.

Dennoch glauben mit der Sache vertraute Beobachter nicht an eine Art De-facto-Anschluss Weißrusslands an Russland. Schon im November verwies der regimekritische weißrussische Politologe Artjom Schreibman darauf, dass der opulente Vertrag nichts enthalte, was die Souveränität Weißrusslands einschränken würde - sondern nur vage Ankündigungen, in einigen Jahren Gesetze zu vereinheitlichen. Trotz seiner scheinbar totalen Abhängigkeit von Putin gelang es Lukaschenko bisher, sich russischen Wünschen nach substanziellen Integrationsschritten zu verweigern. Auch dem Wunsch des Kremls, einen Militärstützpunkt in Belarus unterhalten zu dürfen - was Moskaus Karten im gegenwärtigen Konflikt mit der Ukraine und der Nato verbessern würde -, konnte Lukaschenko zumindest bisher zurückweisen.

Angst vor Farbrevolution

Das hat einen Grund: Auch die Karten des Kremls sind nicht so gut, wie es scheint. "Lukaschenko kann zwar nicht mehr den Westen gegen Russland ausspielen. Aber auch Moskau hat in Belarus keine andere Option als Lukaschenko", sagt Russland-Experte Gerhard Mangott der "Wiener Zeitung". Babariko, den der Kreml im Vorjahr noch bevorzugt hätte, sitzt im Gefängnis - und ob sich der damals populärste Oppositionskandidat bei einem Umsturz durchsetzen würde, ist ungewiss. "Lukaschenko weiß, dass er ohne Russland seine Macht verlieren würde. Er weiß aber auch, dass Russland ohne ihn einen prowestlichen Umsturz riskiert. Und das erlaubt ihm immer noch, russische Begehrlichkeiten abzuwehren", analysiert Mangott.