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Wie Werbung die Jüngsten umgarnt

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Die Jüngsten bestimmen beim Einkauf mit den Eltern oft, was im Wagerl landet.Foto: Fotolia

Kinder verfügen über Taschengeld und beeinflussen ihre Eltern beim Kauf. | Werbung in Schulen ist erlaubt, wenn der Schulleiter zustimmt. | Wien. Von der Müslipackung lacht eine Comicfigur, Handelsketten rufen zum Stickersammeln auf, und im Fernsehen werden Snacks für "gesundes Naschen" beworben - Kinder gelten als attraktive Zielgruppe. "Kinder sind für die Werbeindustrie seit langem eine interessante Zielgruppe, weil Kinder und Jugendliche über ein nicht unerhebliches Budget aufgrund von Taschengeld und Geldgeschenken verfügen", sagt Erich Kirchler, Vizedekan der Fakultät für Psychologie an der Universität Wien.


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"Kinder und Jugendliche werden immer selbständiger", ergänzt Stefan Schmidt, Bereichsleiter für Schul- und Uniwerbung bei der Agentur Young Enterprises, die sich auf Werbung für Kinder und Jugendliche spezialisiert hat. Werbetreibende wollen Kinder nicht nur im frühen Alter an ihre Marke binden: "Kinder und Jugendliche sind direkt und indirekt an finanziellen Entscheidungen der Eltern beteiligt", sagt Kirchler. Je älter der Nachwuchs, desto höher sei der direkte Einfluss auf Kaufentscheidungen. So versuchen Handelsketten in Österreich derzeit, Kinder (und damit auch ihre Eltern) über Aktionen wie "Stickermania" oder "Stickersafari" in ihre Geschäfte zu bringen.

Malstunde in der Schule, für die Firmen zahlen

Wie können Werbetreibende Kinder am besten erreichen? Wenig Streuverluste verzeichne Werbung in Schulen, sagt Schmidt. Plakate von werbetreibenden Unternehmen in Schulen waren früher verboten. Seit einigen Jahren können aber Schulleiter selbst entscheiden, ob sie Werbung erlauben. Nun werben Spielzeughersteller, Nahrungsmittelmarken und Zahnpastahersteller in Schulen; auch Telekomanbieter und die Filmbranche zählen zu den Auftraggebern, so Schmidt.

Außerdem prangt auf 128.000 Mitteilungsheften in 840 österreichischen Schulen Werbung. Durch die Einschaltungen sind die Hefte für Schüler kostenlos. "Die Werbung für die Zielgruppe der Volksschüler wird strengen Kontrollen unterzogen, damit werbliche Inhalte zum Beispiel im Mitteilungsheft altersadäquat und ethisch vertretbar ist", betont Schmidt.

Außerdem bietet seine Agentur Themenunterricht an, etwa zu Zitrusfrüchten oder Haustierpflege - am Beispiel "Katze" gesponsert von Whiskas mit Malwettbewerb. Zum Start des Kinofilms "Hop - Osterhase oder Superstar?" gebe es bald eine Malunterlage mit Suchbild, so Schmidt. Solche Aktionen werden "mit Lehrern, Direktoren und den Elternvertretern abgestimmt", erklärt Schmidt. Bis dato habe es noch nie Probleme gegeben: "Wir filtern die Anfragen vorab und nehmen nicht jeden Kunden." Gefiltert werde laut gesetzlichen Vorgaben, von der Ethikkommission der Young Enterprises und von der Schulleitung.

Konsumentenschützer Heinz Schöffl von der Arbeiterkammer (AK) sieht den Elternverein in der Pflicht, Werbung in der Schule zu beeinflussen. So soll zum Beispiel vermieden werden, dass während eines Vortrages in einer Bank im Nebenzimmer auf 14-Jährige "eindringlich eingewirkt" wird, damit sie ein Jugendkonto eröffnen, wie aktuell im Magazin "Konsument" zu lesen ist.

Selbstregulierung ist der Arbeiterkammer zu lasch

Interessanter wird das Handy als Werbemedium für die Zielgruppe Kinder: Zwei Drittel von mehr als 500 befragten Kindern zwischen 6 und 14 Jahren besitzen ein Handy. Rund die Hälfte der Kinder bekommt ihr erstes Handy zwischen 7 und 10 - und damit immer früher, wie die Kinderstudie 2011 von Market im Auftrag von A1 Telekom Austria ergeben hat. Auch die Vermarktung von Figuren aus Kino und Fernsehen für Produkte wie Schultaschen, Bleistifte und T-Shirts (Merchandising) zielt auf die Jüngsten ab.

Umstritten ist Fernsehwerbung für Kinder. "Wenn es um reine Konsumwerbung geht, stellt sich die Frage nach ethischen Grundsätzen und zum Schutz gegen Beeinflussung", sagt Kirchler. Markenartikel-Riesen wie PepsiCo, Unilever, Coca Cola, Kellogg und Nestlé schränken ihre Werbung mittlerweile im Zuge der EU-Selbstverpflichtung ein. Sie verzichten demnach seit 2008 auf Werbung für Kinder unter zwölf Jahren - außer wenn Produkte beworben werden, die Ernährungsrichtlinien erfüllen.

In Österreich hält der Selbstbeschränkungskodex des Werberates fest: "Werbung darf den Mangel an Reife und Erfahrung von Kindern nicht ausnützen. Darstellungen und Aussagen sollen dem jeweiligen Alter der Zielgruppe angepasst werden." Werbung für Tabak, Alkohol, Heilmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Schlankheitspräparate dürfe sich nicht an Kinder wenden. Bei einem Verstoß kann der Werberat einen Kampagnenstopp fordern.

Bei Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett, Transfetten oder Salz haben sich die öffentlichen und privaten Rundfunk- und Fernsehsender in Österreich im Vorjahr eine Selbstbeschränkung auferlegt, die vor, während und nach Kindersendung gilt. Demnach darf zum Beispiel der Verzicht auf beworbene Produkte nicht abwertend dargestellt sein. Außerdem haben sich die Privatsender geeinigt, Kindersendungen nicht durch Werbung zu unterbrechen - im ORF ist dies ohnehin nicht erlaubt.

Der AK geht diese Selbstregulierung jedoch zu wenig weit: "Wir hätten uns mehr vorgestellt: Dass diese ungesunden Produkte gar nicht beworben werden dürfen", sagt Schöffl.