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Wie wichtig ist Martin Graf?

Von Walter Hämmerle

Analysen

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Welcher Partei nützt’s, welcher schadet’s?

Dass diese Frage stets und ausschließlich an erster Stelle steht, ist vielleicht der größte Makel von Österreichs ohnehin bescheidener politischer Kultur. Sie zwingt nämlich jeden, der sich dazu äußert, in geschlossene Fronten und verunmöglicht einen breiten Konsens selbst in Fragen, bei denen eine solche größte mögliche Zustimmung von grundsätzlicher Bedeutung ist. Etwa in demokratiepolitisch heiklen Fragen. Und zu einer solchen zählt die Möglichkeit einer Abwahl der Nationalratspräsidenten.

Zweifellos ist Martin Graf für ein hohes politisches Amt ungeeignet. Aus dieser Aussage nun den Schluss ziehen, nun also müsse schnellstens für eine Abwahl des FPÖ-Politikers Sorge getragen werden, kann nur, wem es um die Person, aber nicht um die Sache geht. Das ist natürlich eine legitime politische Position, das Problem ist nur, dass allgemeine Regeln möglichst unabhängig von konkreten Personen gestaltet sein sollten. Auch und insbesondere in der Demokratie.

Diese zeichnet sich zwar dadurch aus, dass die Mehrheit in der Regel das letzte Wort hat, allerdings sind hiervon gewichtige Ausnahmen vorgesehen. Solche betreffen nicht nur grundlegende Rechte von Individuen und Minderheiten, sondern eben auch die demokratischen Institutionen und Prozesse selbst. Und dazu wiederum zählt unter anderem die Regelung, das Präsidium des Nationalrats nach der Stärke der im Parlament vertretenen Parteien zu besetzen.

Martin Graf als Dritter Nationalratspräsident gereicht der Republik nicht zur Ehre. Zwar handelt es sich dabei um eine der - im offiziellen Protokoll der Republik - höchstrangigen Funktionen, in der Realverfassung spielt der Job de facto jedoch eine höchst untergeordnete Rolle. Österreichs Demokratie sollte souverän genug sein, mit einem personellen Makel dieser Art zu leben. Solche Karrieren gehören zum immanenten Risiko der repräsentativen Demokratie.

Und schließlich, wenn schon die Frage "Wem nützt’s?" eingangs gestellt wurde, sollte man nicht übersehen, dass höchstwahrscheinlich der größte Nutznießer einer Abwahl Grafs die FPÖ selbst wäre. FPÖ-Obmann Heinz-Chistian Strache könnte sich auf diese Weise eines hartnäckigen Problems entledigen, ohne sich mit dem nationalen Kern seiner Partei anlegen zu müssen. SPÖ, ÖVP und Grüne würden nämlich die Arbeit erledigen. Und die FPÖ selbst wäre wieder einmal in ihrer Lieblingsrolle der von allen verfolgten Unschuld . . .

Aber damit sind wir schon wieder beim ach so beliebten Taktikspielchen.