Neuer Wiener Stadtentwicklungsplan legt Fokus auf Verkehr und Umland.| Probe für grüne Planungskompetenz.
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Wien. Im Jahr 2030 sollen innerhalb der Grenzen Wiens zwei Millionen Menschen leben, in der gesamten Stadtregion sogar drei Millionen - was ein Plus von rund 400.000 gegenüber dem Status quo ergibt; für all diese Bewohner gilt es angesichts herrschender Wirtschaftskrise und immer höherer Immobilienpreise leistbaren Wohnraum und sichere Arbeitsplätze zu schaffen; und es gilt, dass alle diese Menschen möglichst rasch an ihren Arbeitsplatz gelangen, ohne gleichzeitig die Lebensqualität der Menschen durch zu viel Verkehr einzuschränken; und last, but not least soll das urbane Wachstum im Einklang mit dem Grünraum stehen, diesen schützen und bewahren.
All diese Dinge gleichermaßen sicherstellen - also so etwas wie die Quadratur des Kreises schaffen -, das soll der neue Stadtentwicklungsplan von Wien, der sogenannte Step 2014: Heute, Dienstag, findet der Startschuss für das Nachfolgeprojekt des Step05 statt; im Jahr 2014 soll der neue Step fertig ausgearbeitet und von der Rathauspolitik beschlossen werden.
Der große Unterschied zu seinem Vorgänger, der hauptsächlich 13 Zielgebiete in Wien in den Fokus rückte (von gelungen Beispielen wie den Donaukanal bis zu gescheiterten Projekten wie Rothneusiedl) besteht aus zwei Punkten: Zum einen wird erstmals der Verkehrsplan (vormals: "Masterplan Verkehr") mit dem Step zusammengelegt; zum anderen wird der gesamte Prozess von einem Gremium "aus renommierten nationalen und internationalen Experten, die ihr Wissen in den Prozess einbringen werden", begleitet, heißt es aus dem Büro von Planungsstadträtin Maria Vassilakou. Für die Grün-Politikerin stellt der Step 2014 eines der Kernprojekte ihrer Amtszeit dar, die bisher vorwiegend durch nicht unumstrittene Verkehrsmaßnahmen - Stichwort Parkpickerl-Ausdehnung - geprägt war. Politisch geht es für die Grünen um nichts weniger, als ihre Handschrift bei der Neugestaltung von Wien zu hinterlassen.
Neu ist bei der Zielrichtung des Step 2014 auch das Schielen über die Gemeindegrenzen hinaus und die Konzeptionierung der "Stadtregion Wien": "Es gilt, kritisch über Entwicklungsperspektiven und -strategien nachzudenken und dabei auch über den Tellerrand hinauszublicken", erklärt das Vassilakou-Büro. Konkret stelle sich etwa die Frage nach gemeinsamen Entwicklungsinteressen der Stadtregion.
Dass eine akkordierte Planung zwischen Wien und dem Umland alles andere als einfach ist, hat zuletzt das Parkpickerl-Beispiel gezeigt: Die von Wien beschlossene Ausweitung in fünf Bezirken stieß in Niederösterreich - dort sogar bei den Grünen - auf Widerstand. Wien freilich ist, zumal das Thema "City-Maut" aktuell politisch nicht umsetzbar ist, zu derartigen Maßnahmen fast gezwungen, will es nicht im Verkehrskollaps untergehen. Denn werktags überqueren fast 550.000 Personen die Grenzen von Wien - gleich 79 Prozent davon verwenden das Auto.
Daher gilt es aber zugleich, das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln auszubauen. Das Schlagwort lautet dabei "S-Bahn statt U-Bahn": "Mit einem dichten Netz und kurzen Intervallen erfüllt die S-Bahn den Zweck einer U-Bahn", erklärt der grüne Verkehrssprecher Rüdiger Maresch. Daher seien Forderungen nach einer U-Bahn nach Niederösterreich, etwa zur Shopping-City-Süd, nicht nur teuer, sondern auch unnötig.
S-Bahn-Planung mit NÖ
Doch wie soll nun im Verkehrsbereich die Zusammenarbeit in den Ländern der Ostregion besser funktionieren? Ein Hebel ist für Maresch der Verkehrsdienstvertrag, der alle paar Jahre von den Ländern mit den ÖBB neu verhandelt wird. "Diesmal wurde noch getrennt verhandelt. Wir sind mittlerweile mit Niederösterreich einig, dass wir 2015 gemeinsam mit den ÖBB verhandeln werden", so Maresch. In der Praxis zeigt sich der Sinn recht deutlich: Wien will zum Beispiel eine bessere S-Bahn-Erschließung des künftigen Krankenhaus-Nord an der Brünner Straße; weil diese Züge aber nicht nur in Wien, sondern eben auch nach Niederösterreich fahren, müsste beide Länder zahlen - was Niederösterreich nicht so einfach goutiere.
Die Beziehung zwischen Wien und seinem Umland war bisher mitunter eine voller Missverständnisse: Während Shopping-Center und Fachmarktzentren so manchem Gemeindekaiser fette Einnahmen bescherte, verödeten in Wien die Geschäftsstraßen; zugleich war Wien auch nie zimperlich, wenn es galt, Betriebe im Stadtgebiet zu halten oder Wohnraum auf Kosten von Umlandgemeinden zu schaffen.
Mit solchen Konfliktherden beschäftigen sich schon seit Jahren zwei Instrumentarien - die Planungsgemeinschaft-Ost (PGO) und das Stadt-Umland-Management (SUM). Laut SUM-Manager Andreas Hacker sei die große Rivalität aufgrund der Wirtschaftsflaute zwar derzeit vorbei, allerdings: "Wenn es hart auf hart geht, entscheiden Bürgermeister natürlich egoistisch. Insgesamt weiß aber jeder, dass alle im selben Boot sitzen." Und sich mit Sub-Urbanisierung urbane Probleme einhandeln - wie Verkehr -, der teilweise zu massiven Einschränkungen in den Umlandgemeinden führe. Nämlich just bei der viel gepriesenen Lebensqualität in der Peripherie. Die aktuelle "gute Gesprächsbasis" aller Akteure lobt auch Ilse Wollansky, die NÖ-Vertreterin in der PGO, wo Raumordnungsfragen der Länder Wien, Niederösterreich und Burgenland geprüft und entschieden werden. Allerdings werden auch künftig klare Kompetenz-Grenzen bestehen bleiben - denn einer Gemeinde ein für andere nachteiliges Projekt zu verbieten, ginge nur bei einer Verfassungsänderung, gibt Wollansky zu bedenken. "Auch ein Bundesland wird dem anderen schwer etwas verbieten können."
"Polit-Wille ist nötig"
Daher gibt es für den Wiener Stadtplaner Reinhard Seiß einen großen Knackpunkt, was den Regionen-Anspruch des neuen Step betrifft: "Dazu braucht es den politischen Willen von Michael Häupl und Erwin Pröll. Wenn die beiden nicht wollen, wird die Planungsstadträtin wenig ausrichten können."