Finanzminister wehrt sich gegen Steuervereinfachung. | Streit mit FDP. | Berlin. Eigentlich wollte die schwarz-gelbe Koalition in Deutschland die Steuern grundsätzlich senken. Doch wegen der Wirtschaftskrise wurde dieses Ziel vorerst aufgegeben. Dann einigten sich die Koalitionsspitzen am Ende des Vorjahres ersatzweise auf ein 41 Punkte umfassendes Paket von Steuervereinfachungen. Jetzt streiten sie über den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Die FDP, die im Bundestagswahlkampf am lautesten die Senkung der Steuern versprochen hatte, drängt den Finanzminister, die vereinbarten Punkte rückwirkend mit 1. Jänner 2011 zu verwirklichen. Wolfgang Schäuble aber, Hüter der Finanzen, zögert.
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So würde die geplante Erhöhung der Werbekostenpauschale von 920 auf 1000 Euro den Bund allein in diesem Jahr mit 320 Millionen belasten. Außerdem soll man künftig nur noch alle zwei Jahre eine Steuererklärung abgeben müssen. Insgesamt bliebe dann den Arbeitnehmern mehr als eine halbe Milliarde jährlich mehr in der Tasche. Auch die Wirtschaft soll - vor allem durch den Wegfall überflüssiger Bürokratie - entlastet werden.
Dass nicht alle 41 Punkte noch in diesem Jahr in Kraft treten könnten, sei laut Schäuble von Anfang an klar gewesen. Immerhin zwingt die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse den Finanzminister, die Neuverschuldung von derzeit rund 60 Milliarden in den nächsten drei Jahren auf 24 Milliarden zu senken. Die FDP wirft Schäuble jedoch Verzögerungstaktik vor. FDP-Generalsekretär Christian Lindner drohte sogar mit Koalitionsbruch: "Wenn man sich an Zusagen nicht halten kann, kann eine Koalition auch nicht arbeiten." Die CDU, aus der gleichfalls Kritik an Schäubles harter Haltung kommt, will diese harschen Töne nicht überbewerten. Man sei zuversichtlich, zu einer Lösung zu kommen, hieß es. Diese soll am Donnerstag gefunden werden, wenn die Koalitionsspitzen zusammenkommen.
Der raue Ton ist indessen auf die beginnenden Länderwahlkämpfe zurückzuführen, in denen sich die FDP buchstäblich im Existenzkampf befindet. Denn inhaltlich haben sowohl die Unions- als auch die FDP-Fraktion praktisch gleichlautende Beschlüsse gefasst: So viele Punkte aus dem Katalog wie möglich sollten schon im laufenden Jahr erfüllt werden.
Neue Streitigkeiten
Doch der Steuerstreit ist nicht das einzige Konfliktfeld in der Koalition. Inzwischen streitet man sich wieder - über einen Entwurf zur Vorratsdatenspeicherung zum Beispiel, den Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorlegte und der den Sicherheitsexperten der Union nicht weit genug reicht. Sie befürchten eine ineffektive Kriminalitätsbekämpfung. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), spricht bereits von einem "veritablen Konflikt".
Zunehmend schießt sich die FDP auch auf Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ein. Während FDP-Chef Guido Westerwelle auf den Beginn des Rückzugs deutscher Soldaten aus Afghanistan zum Ende dieses Jahres besteht, will Guttenberg dies von der aktuellen Lage am Hindukusch abhängig machen.