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Wieder eine Krone für Ungarn

Von Katalin Reviczky

Politik

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Zum "Tag der Verfassung" (dem 20. August) und dem 1000. Jahrestag der Gründung des ungarischen Staates durch Stephan den Heiligen war wieder eine Königskrone unterwegs aus Rom nach Budapest. Die zwecks Segnung zum Heiligen Vater gesandte Kopie der Heiligen Krone wurde - begleitet von einer Schar ungarischer Pilger - aus Italien über Slowenien und die Krönungsstadt Stuhlweissenburg in die Budapester Basilika zurückgebracht. Zum Tag des Heiligen Stephan hatte der päpstliche Legat und Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano eine feierliche Messe in der Basilika zum Heiligen Stephan zelebriert.

Im Rahmen eines ökumenischen Gottesdienstes hat auch der Besuch von Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel dem Andenken an König Stephan eine große Bedeutung verliehen. Seine Anwesenheit erinnerte auch an die kürzlich erfolgte Heiligsprechung des ersten ungarischen Königs durch die orthodoxe Kirche. Dieses Signal wurde durch Ort des Gottesdienstesunterstrichen: der in der katholischen Höhlenkirche am Gellertberg. Dieser hat nämlich für die Ungarn eine besondere Bedeutung. Kultisches Zentrum der Kelten im ersten vorchristlichen Jahrhundert und späterer Höhlenwohnsitz des Wunderheilers Ivan des Heiligen, erhielt er seinen Namen nach Bischof Gellert, den die Heiden in einem Fass vom Berg in die Donau hinuntergestoßen hatten. Die in Jahren des Kommunismus zugemauerte Kapelle symbolisierte für die Ungarn stets einen Ort, wo Seele und Körper geheilt werden können.

Damit der seit einiger Zeit ins ungarische Parlament übersiedelten Heiligen Krone als Nationalreliquie nicht allein die Ehre erwiesen wird, wird zur Zeit auch der einbalsamierte rechte Arm des heilig gesprochenen ersten Königs von Ungarn zur Schau gestellt.

Dass die ungarische Krone etwas Besonderes ist, beweist allein schon ihr Schicksal, die vielen Abenteuer, die sie erlebte, nicht zuletzt aber auch ihre von allen Normen abweichende Kopfbreite, die sie kaum zum Tragen prädestiniert.

Was ist nun die wahre Geschichte der ungarischen Krone? In den letzten 200 Jahren sind Dutzende von Theorien entstanden, doch mangelt es bis heute an wissenschaftlich fundierten Antworten. Die haarsträubendste Theorien war, dass die Schräge des Kreuzes dem Winkel zwischen Erdachse und Drehwinkel der Erde entspricht, woraus man Schlussfolgerung ihres und der Nation Schicksal ziehen wollte. Die Wissenschaft weiß auch nach 1000 Jahren nicht, wo sie entstanden ist.

Nach derzeitigem Wissensstand hat Stephan die Krone von Papst Sylvester erhalten. Faktum sei aber - meint und publizierte vor kurzem der Historiker Csaba Csapodi -, dass Stephan als gewählter Herrscher eines Erblandes weder den Segen des Papstes noch die Einwilligung eines Kaisers zu seiner Krönung benötigte. Wiederum andere Wissenschafter behaupten, Stephan habe sein Land als "Eigentümer" der Heiligen Maria als Geschenk gewidmet. Er habe dies mit Recht tun können, da er das Land als König tatsächlich "besaß".

Als Stephan Bistümer gründete, aus deutschem Königshaus seine Frau Gisela nahm und sich krönen ließ, wurde er dazu auch vom Kaiser ermutigt, dem es nicht egal war, ob neben seinem Reich ein geregelter Staat oder ein Heidenreich liegt. Doch eine Krone hat er dazu nicht offeriert.

Grundsätzliche sind sich die Wissenschaftler darüber einig, dass die ungarische Krone aus zwei Teilen, einem griechischen und einem lateinischen Teil besteht. Die heute akzeptierte "große Legende" über die Stephanskrone behauptet, dass "Stephan nach dem Eintreffen des Segens aus Rom zum ungarischen König gekrönt wurde". Zur Zeit von Papst Sylvester hatten ja die Päpste - so die Historiker - noch keine Weltmachtbestrebungen, dass sie sich durch die Übersendung einer Krone einen König und sein Land verpflichten hätten wollen. Auch bei späteren Krönungen in Stuhlweissenburg wurde die Krone als in in Ungarn entstanden, nicht aber als ausländisches Geschenk gesehen.

Laut Csaba Csapodi ist die Heilige Krone um 1000 herum in Ungarn entstanden und unbedingt von den von den Herrschern getragenen Königsinsignien zu unterscheiden. Darauf lässt auch ihre Größe - 64 cm Umfang! - schließen. Wieso aber wurde die ganze Nation, jeder Staatsbürger, Ende vergangenen Jahrhunderts zum Mitglied der "Heiligen Krone", des Symbols der weltlichen königlichen Macht? Möglicherweise wurde die einstige Krone erst im Laufe der Kanonisierung von Stephan dem Heiligen durch die Entwicklung seines Heiligenkultes "heilig". Man berichtet nämlich schon im 13. Jahrhundert über die "Heilige Krone" des ungarischen Königs. Und die Frage, wieso die ungarische Krone das Bild des byzantinischen Kaisers innehat, kann wahrscheinlich dadurch beantwortet werden, dass das ursprüngliche Bild ersetzt wurde, nachdem die Krone von Ilona Kottaner Jahrhunderte später gestohlen und in Wickeln eines königlichen Sprosses aus dem Land geschmuggelt und beschädigt worden war.

Für viele Ungarn ist die Stephanskrone heute noch ein Symbol dafür, dass die ungarische Nation trotz Plünderungen und Vernichtungen durch Tataren und Türken doch einen festen Fuß fassen und dem Erbe des Stephan treu bleiben konnte.