Zum Hauptinhalt springen

Wieder eine Zeit der Spendierhosen

Von Karl Ettinger

Politik

Heuer wurden vor der Wahl wie schon 2008 Milliardenbeschlüsse gefasst. Damals war von einem finanziellen "Sündenfall" in einer Marathonsitzung die Rede. Abgeordnete sehen trotz erneuter Kritik dennoch einen Unterschied.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Gefahr, dass nun nochmals viele teure Sonderregelungen dazukommen, ist gering. Die SPÖ erwartet zwar heute, Mittwoch, in der letzten Sitzung des Nationalrats vor der Wahl am Sonntag eine Mehrheit für den Antrag auf einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz in Firmen ab fünf Mitarbeitern. Aber aufgrund der Sondersitzung des Nationalrats sind jene Beschlüsse mit Zusatzkosten in Milliardenhöhe im freien Spiel der Kräfte im Hohen Haus heuer bereits in der Vorwoche gefasst worden. Vor der Nationalratswahl 2008 passierte das erst vier Tage vor der Wahl.

Von einem "Sündenfall", der sich nicht wiederholen dürfe, war nach der Marathonsitzung 24./25. September 2008 die Rede. Es seien "Dämme der Vernunft" gebrochen. Damals wurde unter anderem wie jetzt auch eine stärkere Pensionserhöhung beschlossen, bei den Pensionen wurde der Zugang zur Frühpension nach langer Versicherungsdauer ("Hacklerregelung") erleichtert. Der spätere Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat die Belastungen der Wahlzuckerl fast ein Jahrzehnt später noch mit rund 4,3 Milliarden Euro pro Jahr beziffert.

Zwei Parlamentarier, die 2008 wie auch jetzt dem Hohen Haus angehören, Peter Haubner (ÖVP) und Josef Muchitsch (SPÖ), sehen im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" dennoch einen Unterschied. Dieses Mal sei im Wesentlichen das beschlossen worden, was ohnehin von der früheren türkis-blauen Bundesregierung bereits geplant gewesen sei. "Das war schon anders als 2008", betont der SPÖ-Abgeordnete. Die Beschlüsse 2008 seien "schon sehr spontan" zustande gekommen, erinnert sich der ÖVP-Mandatar.

Stillhalteabkommen von der SPÖ aufgekündigt

Haubner spielt darauf an, dass nach der Aufkündigung der rot-schwarzen Koalition durch den damaligen Vizekanzler ÖVP-Chef Wilhelm Molterer ("Es reicht") mit dem neuen SPÖ-Spitzenkandidaten Werner Faymann im Sommer ein "Stillhalteabkommen" vereinbart worden ist, sich im Parlament bis zur Wahl nicht gegenseitig zu überstimmen. Dieses Stillhalteabkommen wurde Ende August von Faymann aufgekündigt, damit war der Weg geebnet für ein freies Spiel der Kräfte.

In einer 19-stündigen, teils chaotischen Sitzung bis 4.13 Uhr Früh wurden die Spendierhosen übergestreift, wobei die ÖVP teils zähneknirschend mitging. Es wurden unter anderem ein höheres Pflegegeld, eine kräftigere Erhöhung der Pensionen vorgezogen ab November und eine höhere Familienbeihilfe durch eine 13. Rate beschlossen. Das Aus der Studiengebühren hat die SPÖ mit der FPÖ und den Grünen gegen die ÖVP abgesegnet.

Bei der Ausweitung der Hacklerreglung wurden aufgrund einer Panne sogar zwei unterschiedliche Anträge von SPÖ und ÖVP beschlossen. Das bescherte später dem Bundesrat einen Höhepunkt: Dieser bereinigte mit einem Einspruch gegen die ÖVP-Variante den Gesetzespallawatsch.

Die Kosten wurden danach vom Finanzministerium mit 2,7 bis drei Milliarden Euro beziffert. In der folgenden Legislaturperiode musste mit einem Sparpaket die Notbremse gezogen werden. Der Pensionszugang wurde verschärft, die Pensionserhöhungen blieben unter der Teuerungsrate.

"Chance im freien Spiel der Kräfte genützt"

Hat man seither nichts dazugelernt? "Wir schon", beteuert Haubner. Die ÖVP habe sich daran gehalten, was mittelfristig im Haushaltplan vorgesehen sei. Er nimmt damit Bezug erste Schritte zur Steuerentlastung mit geringeren Krankenbeiträgen ab 2020. "Es gibt halt jenseits der ÖVP auch Mehrheiten", sagt er, "das sind die Zusatzkosten, die anfallen." Allerdings hat auch die ÖVP einer stärkeren Pensionserhöhung zugestimmt.

SPÖ-Sozialsprecher Muchitsch betont, dass man für die stärkere Pensionserhöhung 400 Millionen Euro draufgelegt habe. Den ebenfalls erfolgten Beschluss des abschlagsfreien Gangs nach 45 Arbeitsjahren in die Frühpension ab 62, der von Experten kritisiert wird, verteidigt er als "historischen Meilenstein für mehr Fairness im Pensionssystem". "Das war die Chance, die wir im freien Spiel der Kräfte genützt haben." Die Kosten dafür würden auf 50 Millionen Euro geschätzt. "Das ist verkraftbar", meint Muchitsch.

Warnungen des Finanzministers der Übergangsregierung, Eduard Müller, wonach sogar der geplante Budgetüberschuss 2020 verpasst werden könnte, blieben jedenfalls ungehört.

Sein Ressort hat die Kosten der Beschlüsse seit dem freien Spiel der Kräfte im Sommer nach dem Bruch der ÖVP-FPÖ-Koalition mit 5,1 Milliarden Euro berechnet. Davon seien 3,1 Milliarden Euro noch nicht berücksichtigte Zusatzkosten.