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Wieder einmal der Februar 1934

Von Lothar Höbelt

Februar 1934

Der 12. Februar 1934 war nicht zuletzt eine Rebellion gegen die eigene Parteiführung.


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Im Februar 1934 erhob sich der verbotene Republikanische Schutzbund gegen eine Regierung, die immer deutlicher autoritäre Bahnen einschlug. Im denkbar ungünstigen Zeitpunkt übrigens, nämlich gerade als innerhalb des Regierungslagers der Konflikt zwischen Heimwehr und christlich-sozialen Landeshauptleuten seinen Höhepunkt erreicht hatte und Engelbert Dollfuß zwischen seinen alten und neuen Verbündeten lavierte. Die Februarkämpfe nahmen ihm die Entscheidung ab; der auf Dauer angelegte autoritäre Kurs setzte sich endgültig durch. 

Militärisch war der Aufstand von vornherein aussichtslos; politisch besorgte er die Geschäfte seiner schärfsten Gegner, der Heimwehrführer, die sich stolz "Austrofaschisten" nannten (was auch immer sie darunter verstanden). Fazit: Es war schlimmer als ein Verbrechen, es war ein Fehler. Niemand wusste das besser als die Führung der Sozialdemokratie unter Otto Bauer, der vergeblich versucht hatte, den Schutzbundführer Richard Bernaschek zurückzuhalten. Der 12. Februar 1934 war nicht zuletzt eine Rebellion gegen die eigene Parteiführung.

Wenn Widerstand gegen die Diktatur Dollfuß prinzipiell belobigt werden soll, dann zählen dazu natürlich auch Nationalsozialisten und Kommunisten - wobei die Grenzen hier fließend sind, wie gerade an Bernascheks Beispiel deutlich wird: Er floh 1934 nach München, einer seiner engsten Mitkämpfer kehrte 1938 als SS-Obersturmführer zurück. Koloman Wallisch wiederum hatte der ungarischen Rätediktatur gedient; auch manche der oberösterreichischen Radikalen hegten Sympathien für das "russische Modell". Es steht den Nachgeborenen der Wohlstandsgeneration schlecht an, hier aus sicherer Entfernung apodiktische Werturteile zu fällen. Es hieße, die Pietät bloß zu weit zu treiben, die Betreffenden in ahistorischer Weise als Verfechter der parlamentarischen Demokratie zu vereinnahmen.

Dämlicher wäre nur, jetzt eine ideologische Keuschheitskommission einzusetzen, die auf Kosten des Steuerzahlers in jedem Einzelfall nach "guten" und "schlechten" Motiven forscht. Das ist schon von der Aktenlage her in den meisten Fällen kaum seriös machbar - und es ist auch kein Desiderat der Forschung. Da gäbe es wirklich Projekte, bei denen das Geld besser angelegt wäre. Wenn die Politik eine "Rehabilitierung" will, dann soll sie die Verantwortung dafür nicht abschieben. In Wertefragen haben 97 Wissenschafter ohnedies kein größeres Gewicht als 97 Bürger ohne akademische Weihen. Den Wissenschaftern, die hinter derlei Initiativen stehen, kann man vielleicht noch das Motiv zubilligen, "Beschäftigungspolitik" für ihre Schüler zu betreiben. Wenn sich aber die Politik von derlei Manövern tatsächlich beeindrucken lässt, muss sie sich die Frage gefallen lassen, ob sie nichts Besseres zu tun hat. Oder will sie durch ihr "symbolisches" Engagement in historischen Kontroversen vielleicht gar von ihrer Ohnmacht in Gegenwartsfragen ablenken?

Lothar Höbelt ist Historiker an der Universität Wien.