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Wieder hat es klick gemacht

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Warum? Diese Frage liegt der Moderne im Blut. Erst wenn wir die Antwort kennen, verlieren Ereignisse ihren Schrecken, werden berechen- und vorhersehbar. Der Kampf gegen das Unbekannte und die Furcht, die diesem innewohnt, ist der rote Faden unserer Geschichte - und die Vernunft unsere mächtigste Waffe.

Die Erfolgsbilanz ist beeindruckend. Wir fürchten uns nicht mehr vor den Dämonen der Dunkelheit, nicht mehr davor, am Ende des Meeres ins Nichts zu stürzen; wir kennen die Ursachen der allermeisten Krankheiten und wissen, wie sie behandelt werden können; sogar den kleinsten Bausteinen der Materie sind wir auf der Spur.

Nur die Beweggründe unseres eigenen Handelns sind uns nach wie vor ein Rätsel. Niemand vermag zu erklären, was die Anleger dazu getrieben hat, in der vergangenen Woche unvorstellbare 2,5 Billionen US-Dollar an Börsenwerten einfach so zu pulverisieren. In der realen Welt der Tatsachen hat sich nichts ereignet, das eine solche Reaktion zum jetzigen Zeitpunkt rechtfertigt. In den Köpfen der Akteure - den menschlichen wie den computergesteuerten - hat es trotzdem klick gemacht. Und das, obwohl in der Welt der Finanzwirtschaft ein ungeheurer Aufwand betrieben wird, jeden Schritt mit rationalen Kriterien zu unterlegen. Das größere Ganze ist dennoch an Unvernunft schwer zu überbieten. Schadenmaximierung statt -minimierung.

Es ist die nackte Angst vor einem "double dip", einem Rückfall in die Rezession, die die Märkte kopflos werden lässt - und genau dies erhöht wiederum die Wahrscheinlichkeit eines Absturzes.

Von der Politik wird erwartet, dass sie der grassierenden Unsicherheit durch Entschlossenheit den Boden entzieht und so verlorenes Vertrauen wieder neu aufbaut. Doch für die Märkte ist das Glas statt halb voll stets und ausschließlich halb leer. Dabei war noch gar nicht die Rede davon, dass sich die subjektiven Interessen von internationalen Anlegern und nationalen Wählern etwa im Falle der Nettozahlerstaaten diametral widersprechen.

Die Ähnlichkeiten zur fatalen Dynamik einer griechischen Tragödie sind offensichtlich: Die Helden tun alles, um ihrem vorgezeichneten Schicksal zu entgehen - und steuern dennoch mit jeder Handlung ihrem unausweichlichen Untergang entgegen. Gottseidank hat sich mittlerweile dank Hollywood der unerschütterliche Glaube an ein Happy End ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.