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Wieder vertagt

Von Arian Faal

Politik

Der Atomstreit geht nächste Woche in die entscheidende Runde - Durchbruch und Scheitern möglich.


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Lausanne/Wien. Das Warten auf eine Lösung im Atomstreit geht weiter. Nach sechs Tagen wurden die Gespräche in Lausanne am Freitagnachmittag auf nächsten Mittwoch vertagt.

"Die Verhandlungen haben einen heiklen Punkt erreicht", sagte Irans Chefverhandler Mohammad Javad Zarif nach einer harten Arbeitswoche mit dem Westen
gegenüber Journalisten. Sein Stellvertreter Abbas Araqchi ergänzte, dass die iranische Delegation in fünf Tagen weiterverhandeln würde.

Bis dahin will man in Teheran kurz Durchatmen, das Neujahr feiern und an den Begräbnisfeierlichkeiten der plötzlich verstorbenen Mutter des iranischen Präsidenten Hassan Rohani teilnehmen.

Buhlen um Einigung

Im Iran beginnt am heutigen Samstag das neue Jahr 1394 ("Norouz" - die Zeitrechnung beginnt mit 621 n. Chr. mit der Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina) und damit einhergehend hat Präsident Hassan Rohani eine Verbesserung der Wirtschaftslage versprochen. Um diese zu erreichen, muss der Atomstreit mit dem Westen gelöst und die internationale Isolation durchbrochen werden. Genau deswegen buhlte Rohanis rechte Hand Zarif um eine Einigung. Eine solche will auch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nach einem Sondertreffen am Rande des Brüsseler EU-Gipfels äußerte sie den Wunsch nach einem erfolgreichen Abschluss der Iran-Atomverhandlungen. Es gehe darum, dass eine nukleare Bewaffnung des Iran verhindert werde, sagte Merkel am Freitag in Brüssel. Es gebe den politischen Wunsch, ein Abkommen zu erreichen. "Es muss aber ein glaubwürdiges Abkommen sein."

An dem Gespräch nahmen auch Frankreichs Präsident François Hollande, der britische Premierminister David Cameron und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini teil.

"Es ist in der Tat so, dass der Zug noch nie so auf Zack war und noch nie so richtig in den Schienen auf dem richtigen Weg zum Endbahnhof", entgegnete Zarif, als er im November 2014 von der "Wiener Zeitung" zum Atomstreit befragt wurde. Dieser Satz ist nach wie vor gültig. Die Parameter sind vier Monate später dieselben.

Im vergangenen November wurde das Interimsabkommen von 2013 nochmals verlängert. Bis Ende März 2015 soll es eine politische Rahmenvereinbarung geben, bis Anfang Juli dann ein fertig ausgearbeitetes Papier mit allen technischen Einzelheiten. Mit dem Zeitdruck im Nacken sprach Zarif am Donnerstag und Freitag von Fortschritten im Konflikt rund um die umstrittene iranische Urananreicherung.

Sein US-Kollege John Kerry pflichtete ihm bei. Es gebe Fortschritte, aber auch noch einige Themen, die gelöst werden müssten.

Worum geht es? Der Iran soll der 5+1-Gruppe (fünf UN-Vetomächte plus Deutschland) glaubhafte und überprüfbare Garantien dafür abgeben, dass sein Nuklearprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Im Gegenzug soll die internationale Staatengemeinschaft die schmerzhaften Strafmaßnahmen gegen die Islamische Republik schrittweise suspendieren.

Wille erkennbar

Der Wille zu einem Deal zu kommen, ist bei beiden Seiten deutlicher denn je erkennbar. 18 Verhandlungsrunden in Lausanne mit der permanenten Anwesenheit der beiden Chefdiplomaten Zarif und Kerry beweisen es. Auch die Entourage war riesig.

Von den einst fünf großen Streitthemen sind dem Vernehmen nach drei bis vier bereits hinsichtlich der Rahmenparameter gelöst: Die Anzahl der dem Iran zugestandenen Zentrifugen zur Anreicherung von spaltbarem Uran 235 soll so gewählt werden, dass beide Seiten damit leben können. Der Schwerwasserreaktor in Arak, bei dessen Betrieb Plutonium, das zum Bau von Atomwaffen verwendet wird, anfallen würde, soll kontrolliert und umgebaut werden. Und die zusätzlichen Inspektionen durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO) sollen bereits unter Dach und Fach sein. Einzig die Gültigkeitsdauer (auf zehn Jahre angedacht) eines Deals und der Zeitplan für die schrittweise Lockerung und Aufhebung der Sanktionen sind noch zu klären. Mit eifrigen Appellen, die medial ausgerichtet werden, versuchen beide Seiten den Druck zu erhöhen: US-Präsident Barack Obama rief dazu auf, die "historische Chance" für eine Lösung zu ergreifen, Zarif forderte am Freitag sofort auf Twitter auf, dass die "Großmächte einen Deal akzeptieren mögen".

Noch ist ein Abkommen aber nicht spruchreich. Hardliner und Querschießer gibt es zur Genüge, die einer baldigen Rahmenvereinbarung absolut nichts abgewinnen können: Das Königreich Saudi-Arabien ist äußerst besorgt über die gute Chemie zwischen Kerry und Zarif und hat im Falle eines Deals mit einer nuklearen Aufrüstung der ganzen Region gedroht. Präventiv sorgt Riad vor und ist mittlerweile der weltweit größte Waffenimporteur. Die Rivalität mit Teheran um die Vorherrschaft in der Region ist die größte außenpolitische Sorge des Ölmagnaten. Denn ein Deal würde den Iran erheblich stärken.

Viele Gegner

Ein weiterer Gegner des Kuschelkurses im Atomstreit ist Israel. Der neue, alte Premier Benjamin Netanjahu ist mit seiner Unnachgiebigkeit gegenüber dem Iran bemüht, jede noch so kleine Chance auf eine Lösung zu torpedieren. Er bedient sich der Golfstaaten, die offiziell keine Kontakte zu Israel pflegen genauso wie des US-Kongresses, wo er unlängst ohne vorherige Absprache mit Obama eine Ansprache gehalten und vor einem nuklear bewaffneten Iran gewarnt hatte.

Die größten Hindernisse sind jedoch der US-Kongress, wo die Republikaner das Sagen haben und das iranische Parlament (Majles), das fest in den Händen der ultrakonservativen Kräfte ist. Diese beiden sind es, die täglich über die Medien Giftpfeile entsenden und überhaupt kein Interesse daran haben, dass es bald einen Deal gibt. Zarif lässt sich von all dem nicht aufhalten und will bis zum Monatsende unbedingt einen politischen Rahmen-Deal zustande bringen.