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Der Chef des BVT wurde wiederbestellt, darf diese Funktion aber nicht ausüben. Der U-Ausschuss ist so gut wie fix.
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Wien. Freilich gelte die Unschuldsvermutung, sagte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am Dienstag - weil Peter Gridling, Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), aber derzeit von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Beschuldigter geführt werde, habe er ihn vom Dienst suspendiert. Und zwar just zum selben Zeitpunkt, als er ihn auch in seiner Funktion wiederbestellt hat. Beides passierte also gleichzeitig Dienstagfrüh, nachdem Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kickl zwar Gridlings Wiederbestellung schon unterschrieben hatten, Kickl diese jedoch zurückgehalten hatte.
Zur Vorgeschichte: Am 28. Februar stürmten auf Anordnung der WKStA schwer bewaffnete Polizeieinheiten die Räumlichkeiten des BVT, eine Hausdurchsuchung fand statt: Die WKStA ermittelt gegen vier aktive und einen ehemaligen BVT-Beamten - einer von ihnen ist Gridling - angeblich wegen des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs. Es soll um Ermittlungen in der Affäre rund um den Wiener Anwalt Gabriel Lansky gehen, aus dessen Kanzlei dem BVT vor Jahren große Mengen Daten zugespielt wurden, die das BVT aber wieder hätte löschen müssen. Damals wurde dem Vorwurf nachgegangen, Lansky habe für Kasachstan spioniert.
Dominik Fasching übernimmt
Zudem soll es um die Weitergabe von in Österreich produzierten nordkoreanischen Passmustern an Südkorea gehen. Dem BVT wird vorgeworfen, von der Staatsdruckerei 30 von den dort produzierten nordkoreanischen Pässen besorgt und drei davon an Südkorea weitergegeben zu haben.
Am 20. März wäre Gridlings Vertrag als BVT-Chef ausgelaufen. Gridling gilt als ÖVP-nahe, am Montag verteidigte ihn ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon und trat der Kritik am BVT entgegen. Das BVT ist im Innenministerium angesiedelt, das seit 2000 stets in ÖVP-Hand war und nun FPÖ-geführt ist. Kickl wies am Dienstag jeglichen Vorwurf, das BVT umfärben zu wollen, von sich. Bis auf Weiteres werde dieses von Dominik Fasching geleitet, dem Chef der Abteilung für strategische Analyse. Sollten die Vorwürfe gegen Gridling widerlegt werden, "dann ist selbstverständlich die Tür zur Rückkehr offen", so Kickl. Derzeit werde allerdings evaluiert, räumte Kickl dann doch noch ein, ob der Verfassungsschutz neu aufgestellt werden müsse.
Dass Kickl Gridlings Wiederbestellungsurkunde zurückgehalten hatte, sei nicht rechtskonform gewesen, meint dazu Verfassungsexperte Bernd Christian Funk im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": Solange es keine weiteren Entscheidungen im Strafverfahren wie zum Beispiel eine Anklage gibt, hätte Kickl die Verfügung des Bundespräsidenten, Gridling wiederzubestellen, umsetzen müssen. Diese Rechtswidrigkeit könnte laut Funk im Zuge der Gesamtbeurteilung der Causa in Schadenersatz münden.
Das Justizministerium prüft derzeit den Bericht der WKStA. Die Opposition forderte rasche Aufklärung. Kickl habe Van der Bellen hintergangen, indem er das Wiederbestellungsdekret aus dem Verkehr gezogen habe, sagte SPÖ-Chef Kern. Für SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim ist Kickl damit "schon sehr nahe am Delikt des Amtsmissbrauches". Die Liste Pilz kündigte einen Misstrauensantrag gegen Kickl für die für kommenden Montag und Dienstag, 19. und 20. März, anberaumte Nationalratssondersitzung an.
Vorsitzender und Zeuge zugleich
Laut Kern könne man jedenfalls "das Pingpongspiel zwischen ÖVP und FPÖ, zwischen Justiz- und Innenministerium, nicht mehr nachvollziehen". Ein U-Ausschuss zu der Angelegenheit stehe im Raum. Man wolle aber zunächst die weiteren Ereignisse wie die Nationalratssondersitzung abwarten. Auch für die Neos führt an einem U-Ausschuss "kein Weg mehr vorbei", sagte Parteichef Matthias Strolz.
Seit 2014 können U-Ausschüsse als Minderheitsrecht beschlossen werden. Somit ist dafür ein Viertel der Abgeordneten notwendig, also 46. Die SPÖ hat aktuell 52 Mandatare, hätte also schon im Alleingang genügend Stimmen dafür.
Kommt es dazu, wäre dabei die Rolle des Ersten Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka interessant: Dieser hätte den Vorsitz inne, könnte aber als früherer Innenminister als Zeuge geladen werden. Am Dienstagabend sagte Sobotka der Tageszeitung "Österreich" aber bereits, dass er den Vorsitz nicht einnehmen werde, sollte es zu einem Untersuchungsausschuss kommen. Er würde das tun, um "keinerlei Spekulationen aufgrund meines zuvor ausgeführten Amtes als Innenminister zuzulassen". Demnach müsste die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures den Vorsitz übernehmen.