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Wiederbetätigungsprozess: Küssel schweigt

Von Katharina Schmidt

Politik

Drittangeklagter A. verstrickt sich in Widersprüche, Pannenserie reißt nicht ab.


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Wien. Keine Erstickungszustände diesmal. Am zweiten Tag - zählt man den mangels Geschworenen verpatzten Auftakt vergangene Woche nicht mit - im Prozess gegen den Rechtsextremisten Gottfried Küssel und seine beiden Mitangeklagten Wilhelm A. und Felix B. hat Richterin Martina Krainz dazugelernt. Und nach massiver Kritik an den beengten Zuständen Sessel für die Medienvertreter reserviert.

Dennoch: Der chaotische Eindruck, den dieser Prozess von Anfang an vermittelt hat, wurde auch am Mittwoch nicht widerlegt. Den wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung Angeklagten wird die federführende Beteiligung an der neonazistischen Website alpen-donau.info sowie an dem Forum alinfodo.com zur Last gelegt, im Falle einer Verurteilung drohen ihnen bis zu zehn Jahre Haft. Alle drei bekannten sich nicht schuldig.

Beinahe der ganze Verhandlungstag war der Einvernahme des Drittangeklagten Wilhelm A. gewidmet. Er soll laut Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter die beiden Websites einige Monate, nachdem ihn Küssel per E-Mail dazu aufgefordert hatte, bei dem kalifornischen Provider Dreamhost registriert haben. Und dann schon wieder eine Panne. Krainz hielt A. seine Aussagen aus der polizeilichen Vernehmung vor - um wenig später eingestehen zu müssen, dass es sich um Küssels Vernehmungsprotokoll handelte.

Allerdings ließ auch A.s Aussage an Stringenz zu wünschen übrig. Er gab zu, dass er im Herbst 2008 von Küssel das Auftragsmail erhalten habe, es allerdings abgelehnt habe, sich um die Registrierung der Seiten zu kümmern. Zuerst erklärte A., er habe keinerlei Verbindung zu Dreamhost, musste dies aber revidieren, als ihm die Richterin vorhielt, dass es Zahlungen von seinem Visakonto gegeben habe. Dass sich sein Computer ausgerechnet im Frühjahr 2009, als alpen-donau.info online ging, mehrmals unverschlüsselt bei Dreamhost einloggte, erklärte er mit Serverproblemen seiner Firma, aufgrund derer er kurzfristig in die USA ausweichen musste. Mit alpen-donau.info habe das nichts zu tun. Dass die Website von seinem Account aus registriert wurde, kann sich A. nicht erklären. "Es muss von meinem Account aus gemacht worden sein", sagte er. Auch könne er eine Hacker-Attacke ausschließen, meinte A., bestritt aber dennoch, dass er die Seite angemeldet hat.

Am Nachmittag gab der Hauptangeklagte Küssel ein kurzes Gastspiel im Zeugenstand. Er entschlug sich der Aussage -mit der Begründung, dass "die Anklage an sich falsch ist". Auch B. will nicht aussagen.

Krainz verlas daraufhin immerhin das Einvernahmeprotokoll Küssels bei der Polizei. Er bestritt darin jede Beteiligung an der Website oder dem Forum, gab aber zu, die Beiträge auf alpen-donau.info gelesen zu haben. Das Mail habe er A. geschickt, als dieser sich nicht darum kümmern wollte, das Projekt einer Website aber wieder verworfen, weil er nicht alles alleine machen wollte. "Mir ist erst später aufgefallen, dass die Internetseite gemacht worden ist." Pikant seine Aussage auf die Frage der Ermittler, ob er Repräsentant einer Neonazi-Gruppe sei: "Ich gehöre zum Reich und sonst nirgends hin." Gemeint ist die "Wiener akademische Ferialverbindung - Reich", ein laut Anklageschrift nationalsozialistisch orientierter Verein.

Kritik übten die Verteidiger am fehlenden Sachverständigen: B.s Anwalt hatte die Beiziehung eines unabhängigen Experten gefordert, der den Geschworenen die komplizierten computertechnischen Vorgänge erläutern sollte, Krainz erklärte zu Beginn der Verhandlung, das Gericht werde noch darüber entscheiden. Auch die Fragen, ob die Vorführung eines Videos durch Kronawetter bei der Verlesung der Anklageschrift zulässig war und ob die Auswahl der Geschworenen korrekt erfolgt ist, waren am Mittwoch weiterhin Thema. Küssels Anwalt verwies auf ein Schreiben des FBI, mit dessen Hilfe der Provider ausgeforscht wurde. Darin wird als Betreiber beider Sites der Deutsche Robert M. genannt. Der Verteidiger kritisiert, dass M. nicht einmal als Zeuge befragt werden soll. Viele Steilvorlagen also, das Verfahren anfechtbar zu machen.

Am Donnerstag wird der Prozess mit der Befragung von Zeugen fortgesetzt. Eigentlich ist dieser Termin bereits der letzte - dass sich das nicht ausgeht, hat Krainz aber erkannt: "Es dauert alles viel länger als erwartet." Gemunkelt wird, dass die Sache noch bis Juni dauern könnte.