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Am Dienstagabend wurde in 3sat Franco Zeffirellis "La Traviata"-Verfilmung aus dem Jahr 1981 gezeigt. Zugegeben, einige Szenen waren fast übertrieben schön, die Dekoration war mehr als üppig, die Kostüme mehr als kostbar. Dass man diese opulente und leicht angekitschte Filmversion von Verdis Meisterwerk dennoch ohne Bauchgrimmen anschaute, ist das Verdienst der beiden Hauptdarsteller: Mag sein, dass die Stimme von Teresa Stratas in den Höhen manchmal ein wenig scharf und spitz klang. Aber als Schauspielerin beeindruckte sie unbedingt.
Man wird z. B. nicht viele Sängerinnen finden, die es mit ihr in der Kunst der beredten Blicke aufnehmen können. Freilich verfügt auch nicht jede Künstlerin über so große, ausdrucksvolle Augen wie sie, die überhaupt eine sehr schöne Frau ist. Wenn man (oder Mann) von ihr bezaubert ist, wird das nicht ihrer Kunstleistung allein zuzuschreiben sein. Aber wie auch immer: Es war jedenfalls eine Freude, die schöne Teresa Stratas als Violetta zu hören und zu sehen.
In der Rolle des Alfredo war Plácido Domingo zu bewundern. Der Film ist, wie gesagt, 20 Jahre alt, das heißt, Domingo war von seiner Drei-Tenöre-Statur noch weit entfernt. Hochgewachsen und schlank schritt er durch das tragische Geschehen, und schlank war auch seine Stimme. Von allen Tenören des italienischen Fachs, den großen Pavarotti inbegriffen, war Domingo der einzige, der niemals "knödelte", wie man sagt. Auch in dieser "Traviata" war seine Stimme selbst in den dramatischsten und sängerisch anspruchsvollsten Momenten leicht und biegsam. Da blieb nichts zu wünschen übrig. Und so bot dieser alte Film eine schöne Gelegenheit, Giuseppe Verdi als den musikalischen Regenten des Jahres 2001 zu verabschieden.