"Headquarter"-Kongress zu aktuellen Trends von regionalen Firmensitzen.
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Wien. Internationale Unternehmen sind pingelig. Sie werden nicht überall sesshaft. Schon gar nicht, wenn es um ihre Headquarters geht. Hier werden Entscheidungen getroffen, Strategien erarbeitet, Visionen entworfen. Da muss man schon mit Steuervorteilen, einer guten Infrastruktur und qualifiziertem Fachpersonal locken, um als Stadt das Rennen zu machen. Es kommt eben doch darauf an, ob der indische IT-Spezialist eine internationale Schule für seinen Sohn findet, die slowakische Spitzenmanagerin innerhalb kürzester Zeit ihre Flüge nach Europa erwischt oder der chinesische Geschäftsführer darauf vertrauen kann, dass seine Arbeiter nicht streiken.
184 internationale Konzerne
"Headquarters brauchen ein bestimmtes Biotop, um sich zu entwickeln", sagt Leo Hauska. Der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Hauska & Partner ist Begründer der Plattform "Headquarters Austria", die den ersten europäischen Headquarter-Kongress in Wien initiiert hat. Experten aus dem In- und Ausland diskutierten über die Rolle und Zukunft von Hauptgeschäftssitzen in Europa.
Wien zählt derzeit insgesamt 184 regionale Firmensitze internationaler Unternehmen. Vor einem Jahr waren es 177, wie aus der Datenbank von Headquarters Austria hervorgeht. Die meisten dieser Headquarters dienen als Zentrale für Mittel- und Osteuropa. Laut einer Studie der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) sind sie vor allem "kleine Repliken" der Muttergesellschaften, zuständig für das Controlling, die Budgetierung und die regionale Strategieentwicklung des Unternehmens.
Neutralität ist wichtig
Arnold Schuh, Leiter der Studie und Direktor des Kompetenzzentrums für Mittel und Osteuropa der WU, stellt fest, dass der prognostizierte Abschied regionaler Headquarter aus Österreich derzeit nicht absehbar ist. Zwar kommen nicht mehr unbedingt die großen Pioniere, wie einst Henkel, Coca-Cola und Canon, nach Österreich, doch erkennen immer mehr kleinere Unternehmen Österreichs Attraktivität. "Vor allem die Neutralität spielt eine Rolle. Ich weiß nicht, wie glücklich beispielsweise die Slowaken über ein Headquarter in Budapest wären", sagt Schuh.
Doch Wien ist mehr als nur der kleinste gemeinsame Nenner. Traut man internationalen Rankings, ist die Stadt das perfekte "Biotop" für internationale Unternehmen. Die US-Beratungsfirma Mercer adelte Wien 2011 zu der Stadt mit der höchsten Lebensqualität. Sicher, stabil, günstig, so lautete das Fazit. Die Lifestyle-Bibel "Monocle" kürte Wien auf Platz vier der lebenswerten Städte weltweit. Nur Zürich, Helsinki und Kopenhagen wurden Wien vorgereiht. Hip sei es, dieses Wien, mit seinen Museen, Weingärten und den vielen Schwimmbädern. Nur am Flughafen könnte man noch ein bisschen arbeiten, urteilte "Monocle".
"Wien ist einfach Wien"
"So schlimm ist es doch gar nicht. Die Wiener nörgeln nur auf sehr hohem Niveau", sagt Günter Verheugen, der ehemalige EU-Kommissar und Gastredner des Headquarter Kongress. Man könnte meinen, er sei ein PR-Mann der Stadt Wien, wenn er über die Stadt zu schwärmen beginnt. Das Savoir-vivre, das Flair, und natürlich das Wiener Schnitzel. "Wien ist einfach Wien", sagt er seufzend, als gebe es kein anderes Argument für einen Unternehmer, seinen Firmensitz hierher zu verlegen.
Doch genau dieses Schulterklopfen sei das Problem , man ruhe sich auf seinen Lorbeeren aus, befindet Hauska. "Man will alles beim Alten lassen und bloß nichts verändern", kritisiert er. Dabei müssten bessere Rahmenbedingungen für qualifiziertes Fachpersonal geschaffen werden. Zu teuer kommt es Unternehmen, die nichteuropäische Fachkräfte anheuern wollen. Anstatt sie dann nach Wien zu schicken, würden sie Unternehmen lieber nach Zürich bringen, wo die steuerlichen Bedingungen besser seien. Doch Hauska erkennt das Dilemma österreichischer Politiker. "Es ist nicht unbedingt sexy für einen Politiker, sich für einen Manager einzusetzen, die in einem Mercedes in ihren Glaspalast einfahren."