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Durch die besondere Unterstützung der Lebenspartner - "Dual Career Service" - sollen mehr Topforscher für Wien gewonnen werden.
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Wien. Die Stadt Wien möchte im Wettbewerb um die besten Top-Wissenschafter der Welt mithalten können und so richtete der privat-gemeinnützige Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) vor zwei Jahren ein ganz spezielles Service ein, das sogenannte Dual Career Service. Dabei wird bei der Rekrutierung internationaler Spitzenkräfte auf die Lebens- oder Ehepartner geschaut. Diese bekommen Informationen, Beratung und vor allem Aussicht für ihre eigene wissenschaftliche Karriere.
Denn man sei daraufgekommen, dass Absagen von Wissenschafter oft zwei Gründe haben: die Aufenthaltserlaubnis - diese sei jedoch bereits durch den Bund gelöst worden - und die Unterbringung des Lebenspartners, so Bürgermeister Michael Häupl, der im Vorstand des WWTF sitzt. Er persönlich kenne einen ungarischen Topforscher, der sich gegen Wien und für England entschieden hat, sagte er gestern, Dienstag, anlässlich der Präsentation des Projektes. Karriereentscheidungen mit Ortswechsel würden eben häufig gemeinsam am Frühstückstisch getroffen, begründete Häupl das Projekt.
Sorge um den Partner steht im Vordergrund des Services
Die Sorge um den Partner steht also im Mittelpunkt von "Dual Career Service". Seit Beginn des Services Ende 2013 wurden insgesamt 46 Partner betreut, sieben davon Männer und 39 Frauen. Die Akademiker stammen alle aus der EU. "In 14 Fällen konnten wir die Beratung bereits erfolgreich abschließen", erzählte der WWTF-Geschäftsführer, Michael Stampfer. Derzeit befänden sich 20 Partner in aktiver Betreuung. Die Berufungsverfahren von internationalen Spitzenkräften würden oft Jahre dauern. "Viele warten auf eine bestimmte Stelle."
Stundenlange Telefonate über Skype stünden dabei auf der Tagesordnung. "Wir geben Auskunft über Kindergarten- und Schulplätze und stellen wichtige Kontakte her", so Stampfer. Das Service ist eine Informationsdrehscheibe, vor allem zu den Universitäten und ihren Stellenangeboten. Die große Mehrheit (70 Prozent) jener Wissenschafter, die nach Wien kommen, hätten noch nie in Wien gelebt. Das Angebot richtet sich von Infos über familiäre Rahmenbedingungen über Wissenswertes zur Weiterbildung bis hin zu Informationen zu Freizeit, Gesundheit und zur Einreise oder zum Meldewesen.
Doppelte wissenschaftliche Karrieren nicht ungewöhnlich
Alle großen Universitäten von Wien, Niederösterreich und Oberösterreich sind am "Dual Career Service" beteiligt. Die Universitäten zahlen auch einen Beitrag, damit dieses Service aufgebaut werden kann. Denn angesichts der Arbeitsstunden der Wissenschafter seien sich alle durchaus bewusst: "Seinen Partner kann man nur im Labor kennenlernen", so Stampfer. Deshalb seien doppelte wissenschaftliche Karrieren nichts Ungewöhnliches.
Ungewöhnlich ist jedoch der Ruf nach mehr Geistes- und Sozialwissenschaftern. Für WWTF-Geschäftsführer Stampfer sind es aber genau diese Wissenschafter, die derzeit am meisten gebraucht würden. Wien habe viele Wissenschafter im Bereich der Medizin, der Informationstechnologie und der Mathematik, jedoch zu wenige Top-Kulturwissenschafter, sagte er zur "Wiener Zeitung".
Wien ist laut Stampfer im Bereich Life Science und Medizin sehr gut aufgestellt. "Dieser Bereich ist in Wien überproportional groß, was auch gut ist, dafür wird Wien auch international gesehen und anerkannt", sagte er. Er nannte die Forschungsinstitute in der Dr.-Bohr-Gasse im 3. Bezirk oder im AKH, "wo sich Wissenschafter aktiv anstellen, um eine Gruppenleiter-Position zu bekommen". "Da müssen wir ihnen nicht Hände ringend nachlaufen, sondern sie kommen von selbst." Bei den Bereichen Mathematik und Quantenphysik sei es ähnlich. "In diesen Bereichen ist Wien so stark, dass es zusätzliche Forscher anzieht." Die Stammzellenforschung sei derzeit ein extrem umkämpftes Gebiet. "Da gibt es einige gute in Wien", so Stampfer. In Bälde würde es vom Ministerium und von der Stadt eine Initiative geben, "um in der Stammzellenforschung noch weitere gute Leute herzuholen".
Im Bereich der Informationstechnologie habe Wien einen "guten und ziemlich unsichtbaren Aufwärtstrend in den vergangenen zehn, 15 Jahren gehabt", so der Geschäftsführer. Auf der Universität Wien und auf der TU seien gute Leute gewachsen oder sie seien geholt worden. Und allein der WWTF habe dafür in den vergangenen sieben Jahren 30 Millionen Euro an Förderungen ausgeschüttet.
Und wovon haben wir zu wenig? "Im Topbereich der Geistes- und Sozialwissenschaft könnten wir noch mehr gute Forscher herholen", so Stampfer. Auch weil das Verhältnis von Studierenden zu Lehrenden so auseinanderklafft, dass die Lehrenden kaum zum Forschen kommen.
"Wir reden über kulturelle und soziale Fragen - bei der Überwachung, Datenspeicherung, Gesundheitsstandards, ethnischen Fragen, wenn es um die Zuwanderung geht." Da brauche man Top-Kultur- und Geisteswissenschafter. "Wir sind eine kulturell aufgeladene Stadt. Da gehören Top-Kulturforscher dazu, die die Probleme auch analysieren können", betonte Stampfer.