Zum Hauptinhalt springen

Wien Energie: "Die haben sich einfach um 6% verkalkuliert"

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Die Gasmarktliberalisierung, noch am 1. Oktober feierlich begrüßt, wirft nun die ersten gröberen Probleme auf. Manches Detail haben die Liberalisierungsbefürworter nicht bedacht: Eines davon heißt Gebrauchsabgabe. Diese Gemeindeabgabe, die in Wien 6% beträgt, macht einen tatsächlichen Preisvergleich schwer. Die AK rät den Gaskunden bei Angeboten vorsichtig zu sein und genaue Informationen einzuholen, ob dieser Obolus einkalkuliert wurde. Der erste alternative Anbieter MyElectric hat sich beim Preis verkalkuliert.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien ist anders. Das hätten die Salzburger wissen müssen, als sie mit ihrem Gasdiskonter MyElectric den Markt in der Ostregion aufmischen wollten. Kunden, die im Versorgungsgebiet von Wiengas liegen, müssen nämlich 6% Gebrauchsabgabe zahlen: Und Wien ist das einzige Bundesland, in dem diese nicht nur vom Netzbetreiber, sondern auch vom Gaslieferanten eingehoben wird. Dummerweise wurde dieser Wiener Obolus in die Kampfangebote von MyElectric nicht einkalkuliert, da man fix davon ausging, dass allein das Netz zuständig sei.

AK rät zur Vorsicht

Die Arbeiterkammer rät nun wechselwilligen Gaskonsumenten zur Vorsicht. "Man muss sich genau erkundigen, ob diese Abgabe im Energiepreis enthalten ist, oder nicht." AK-Energieexperte Dietmar Wenty empfiehlt ein genaues Studium der Vertragsbedingungen, um unseriösen Angeboten nicht auf den Leim zu gehen.

Endkunde ist Schuldner

Wenty warnt noch vor einer weiteren Tücke: Im schlimmsten Fall, so will es das Gesetz, ist der Kunde für die Ablieferung der Gebrauchsabgabe verantwortlich. Sollte ein Gasversorger bankrott gehen oder die Abgabe nicht an die Stadt abliefern, muss der Endkunde die Zeche bezahlen. MyElectric, eine Kooperation zwischen Salzburg AG, Ruhrgas und dem Verbund, steht auf dem Standpunkt, dass die Gebrauchsabgabe nur vom Netzbetreiber Wiengas zu entrichten sei. Doch da die Lage rechtlich unklar erscheint, müssen die Juristen den Fall prüfen. Mittlerweile hat MyElectric zehn Kunden gewonnen, mit einer großen Hotelkette gibt es Gespräche.

Die Liberalisierungshürde

Die Landessteuer ist jedenfalls eine große Hürde für den alternativen Gasanbieter, dessen Gaspreis bei 17,12 Cent pro Kubikmeter (m³) liegt. Die Wiener Konkurrenz verlangt für dasselbe Maß zwischen 16,76 und 17,44 Cent. MyElectric-Marketingleiter Thomas Höfels: "Kommt heraus, dass wir diese 6% an die Stadt Wien abliefern müssen, dann ist eine Ersparnis nur noch über den Strom-Gas-Kombi-Bonus möglich." Dieser ist aber nur mehr bis 31.12.2002 gültig.

Bei Wiengas und Wien Energie frohlockt man über das Angebot der bisher einzigen Konkurrenz: "Die haben sich einfach um 6% verkalkuliert." Wolfgang Schieferle, Jurist der zuständigen Magistratsabteilung (MA 4) weiß, dass "eine solche Fehlkalkulation die Katastrophe für das Unternehmen" ist. Vor allem wenn schon mit dem Dumpingpreis geworben wurde. Doch das Gesetz ließe hier keinerlei Spielraum, auch MyElectric werde zur Kassa gebeten. "Das wäre sonst Ungleichbehandlung gegenüber dem Netzbetreiber", erläutert er.

Wiener Abgabe auch in NÖ

Von der Gemeindeabgabe sind insgesamt 716.144 Wiengas-Kunden betroffen, 34.000 davon in Niederösterreich. Bisher gab es kein Problem, denn es gab nur einen Versorger und dieser lieferte den Obulus vom Gesamtumsatz - sowohl Energie als auch Netz - an die MA 4 ab. Im Zuge der Liberalsierung wurden integrierte Gasversorger, die mehr als 50.000 Kunden haben, gezwungen den Energievertrieb vom Leitungsnetzbereich trennen. Quersubventionierungen sollten damit ausgeschlossen werden. Und so musste die Wiengas den Energieverkauf an die Wien Energie abtreten. Wiengas ist somit seit 1. Oktober nur noch für die Preise der Durchleitungsnetze zuständig.

Hatte man beim Energie-Regulator E-Control und im Wissenschaftsministerium die Liberalisierung wegen erhöhter Transparenz begrüßt, so ist davon jetzt wenig zu merken. Eher werden sich wechslewillige Kunden wegen komplizierter Preisvergleiche die Haare raufen.

Verfassungswidrige Abgabe?

Bei der E-Control ist man über diese Eintrittsbarriere in den Wiener Energiemarkt wenig glücklich, da der Versorgerwechsel erschwert wird. Doch Gas-Experte Michael Schmöltzer sieht sich die Hände gebunden: "Das ist Sache des Landesgesetzgebers. Wir sind nicht für Wiener Gesetze zuständig." Für verfassungswidrig hält er jedoch den Umstand, dass auch Kunden in Niederösterreich zur Kasse gebeten werden: "Da liegt eine ähnliche Problematik vor, wie beim Kraft-Wärme-Kopplungszuschlag." Schmöltzer sieht die Verbracherverbände wie AK, diese sitzt ebenfalls in der E-Control, oder den VKI aufgerufen Klarheit herzustellen. Im schlimmsten Fall müsste die Sache vor Gericht geklärt werden. Wenty bestätigt, dass die AK - sollte ein Kunde an sie herantreten und die Chance auf Erfolg bestehen - die Causa Wiener Gebrauchsabgabe vor den Verfassungsgerichtshof bringen würde.