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Die Stadt nimmt 400 Lehrer in die Pflicht - Kostenpunkt: 20 Millionen Euro pro Jahr.
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Wien/Rust. Bildungsschwerpunkt in Rust: Ab Herbst soll es in Wien Gratis-Nachhilfeunterricht geben - und zwar für den gesamten Pflichtschulbereich und die AHS-Unterstufe - also für alle 6- bis 14-Jährigen. "So wie wir seinerzeit in Rust gesagt haben, wir werden den Kindergarten beitragsfrei machen, so wollen wir dieses Mal ein Modell anbieten, bei dem wir Lehrer anstellen werden, damit sie Kindern kostenlos Nachhilfeunterricht geben", erklärte Bürgermeister Michael Häupl am Donnerstag bei der SPÖ-Klubklausur im burgenländischen Rust.
Im Mittelpunkt des Nachhilfeunterrichts stehen Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften und Fremdsprachen. Schließlich ist es Häupls Vision, dass eines Tages jedes Kind in Wien zwei Sprachen beherrscht. Die Kosten für den "Aktionsplan" beziffert Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch mit 18 bis 20 Millionen Euro pro Jahr. Das bedeute für die Eltern pro Kind eine Einsparung von bis zu 600 Euro im Jahr, wie wiederum Häupl ausführte.
Volkshochschulen: AMS-Kurse und jetzt auch Nachhilfe
Von den 400 zusätzlichen Lehrern, die für den Nachhilfeunterricht eingesetzt werden sollen, werden laut Oxonitsch rund die Hälfte von der Stadt Wien bezahlt - obwohl Lehrer eigentlich Angelegenheit des Bundes sind, wie betont wurde. Der Rest der Nachhilfe soll in Kooperation mit einer Bildungseinrichtung angeboten werden, die bereits in großem Stil AMS-Kurse übernimmt (die "Wiener Zeitung" hat berichtet): die Wiener Volkshochschulen. Insgesamt geht man davon aus, dass 13.000 Kinder den kostenlosen Nachhilfeunterricht in Anspruch nehmen werden. Vorgesehen sind rund 22 Wochenstunden pro Schule, und zwar in Form von Gruppenunterricht.
Als Beweggrund für diese Maßnahme nannte Häupl die "Alltagssorgen der Wiener". Schließlich greife das Problem der Finanzierung einer Nachhilfe bis weit in die Mittelschicht hinein. "Natürlich sollen begabte Kinder gefördert werden - aber auch weniger begabte von der Gesellschaft mitgenommen und ihre Schwächen geschwächt werden." Die "Konservativen und Reaktionären" würden schon wissen, was für ihre Elite-Kinder gut sei. In den katholischen Schulen wisse man ganz gut, "dass die Ganztagsschule mit verschränktem Unterricht und de facto integrierter Gesamtschule ein sehr gutes Modell ist. Aber das ist nicht für alle. Und das ist der Punkt der Auseinandersetzung", so Häupl.
Kritik zur Gratis-Nachhilfe kam prompt aus grünen Kreisen. "Das ist so, wie wenn ich in meinem Haus ein Loch hätte und ich jemanden dafür bezahlen würde, der es zuhält", hieß es dazu. Demnach wäre es besser, das Geld in eine Bildungsreform zu stecken, als mit der Nachhilfe Symptombehandlung zu betreiben .
Der langfristige Plan, dass jedes Kind eine zweite Sprache spricht, führte der Bürgermeister genauer aus: "Das Kind spricht Deutsch und seine Muttersprache, oder, wenn Deutsch die Muttersprache ist, eine andere zweite Sprache." Das sei ein sehr wichtiges Grundkonzept für die Wiener Sprachoffensive. Im tertiären Bildungsbereich und in den Forschungseinrichtungen der Stadt seien wiederum Finanz- und Wissenschaftsministerium gefordert, genügend Investitionsmittel zur Verfügung zu stellen - und darüber hinaus alle außeruniversitären Forschungseinrichtungen so auszustatten, dass sie in der Lage sind, im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Denn dort würden sich die Arbeitsplätze der Zukunft entwickeln. "Da geht es um den Wohlstand unserer Kinder über den wir hier reden", so Häupl.
Lebenswelten statt Geschäftsgruppen
Ein weiteres Thema in Häupls Rede waren die Kommunikationsprozesse der Stadt - sowohl nach innen als auch nach außen. Man habe sich bereits bei einer Klausur in Wildalpen darauf verständigt, die Stadt nach Lebenswelten einzuteilen und nicht nach Geschäftsgruppen, wie der Bürgermeister betonte. Die meisten Projekte der Stadt seien sogenannte Überschneidungsprojekte. Und dies gelte es auch, nach außen zu kommunizieren.