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Wien glaubt noch an Atomausstieg

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Keine Chance auf Durchsetzung bei EU-Gipfel. | Barroso-Absage für EU-Volksbegehren gegen Atomkraft. | Brüssel. Nicht weniger als einen europäischen Atomkraftausstieg hat sich der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann auf die Fahnen geheftet. Dieses Anliegen habe er auch bei einem Treffen mit Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in den Mittelpunkt gestellt, sagte er vor dem am Donnerstag gestarteten EU-Gipfel.


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Die Zukunft müsse in der Energieeffizienz und erneuerbaren Energiequellen liegen. Denn auf Atomkraft für den Klimaschutz zu setzen, sei Zynismus - da werde ein Problem mit einem anderen bekämpft. Die katastrophalen Ereignisse in Japan seien ohne Zweifel ein Einschnitt für die ganze Welt gewesen, so Faymann.

Schon Stresstestswaren umstritten

Dass deshalb in die Gipfelbeschlüsse eine Referenz zu einem Atomkraftausstieg aufgenommen werden könnte, galt allerdings als ausgeschlossen. Zu unterschiedlich sind die Meinungen der Mitgliedstaaten über die Nutzung der potentiell gefährlichen Technologie. Nur in Nuancen sind EU-Länder bisher von ihrem bisherigen Atomkraftkurs abgewichen.

Schon die Gipfelbeschlüsse für die Abhaltung der sogenannten Stresstests für die 143 europäischen Atomkraftwerke waren umstritten. Österreich wollte die Formulierungen deutlich verschärfen und stieß dabei jedoch auf Widerstand. Wie berichtet soll zwar das Risiko der Reaktoren in der Union neu bewertet werden. Die Modalitäten der Tests waren den Österreichern allerdings zu weich. Sie verlangten, dass die Kontrollen der Reaktoren von unabhängigen Experten und nicht von den jeweiligen nationalen Atomsicherheitsbehörden durchgeführt werden. Dafür sollen aber die Franzosen und die Briten keinerlei Verständnis gehabt haben.

Auch forderte Österreich die Festschreibung von Konsequenzen für jene Atomkraftwerke, welche die Tests nicht bestehen, und möglichst eine Verpflichtung zur Teilnahme. Zumindest letzteres durchzusetzen schien extrem unwahrscheinlich.

Durch die Aufnahme der "umfassenden und transparenten Risikobewertungen" in die Beschlüsse, seien die Tests allerdings politisch verbindlich, hieß es in Diplomatenkreisen.

Unterschiedliche Meinungen gab es auch zu Faymanns Plan, ein EU-Volksbegehren zum Atomausstieg zu organisieren. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso ließ ihm per "Kurier"-Interview ausrichten, dass eine EU-Bürgerinitiative zur Frage der Kernenergienutzung nicht im Einklang mit den EU-Verträgen stehe. Zugelassen würden nur Themen in EU-Kompetenz, die Auswahl der Energiequellen sei aber ausschließlich nationale Zuständigkeit.

Faymann beharrtauf Möglichkeit

Faymann meinte dagegen, es gebe sehr wohl Möglichkeiten, EU-Ziele auf dem Gebiet der Energiepolitik zu verankern. - Ein Beispiel wäre der Ausbau von 20 Prozent Erneuerbaren bis zum Jahr 2020. - Etwas Ähnliches müsse auch für den Atomkraftausstieg möglich sein. Bei der Kommission angemeldet können EU-Volksbegehren aus rechtlichen Gründen allerdings erst in zirka einem Jahr.

Und trotz der japanischen Katastrophe ist bisher kaum ein Kurswechsel in der Atompolitik der EU-Staaten zu erkennen. Italien hat unlängst seine Wiedereinstiegspläne immerhin um ein Jahr vertagt.