)
Memes sind in digitalen Diskursen nicht mehr wegzudenken und werden zunehmend für politische Mobilisierung genutzt. Ein Blick auf politische Memes und deren Wirkungskraft.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Ein Bild vom einstmaligen Innenminister Herbert Kickl. Er blickt traurig Richtung Boden. "Der Moment, an dem du realisierst, dass du nicht eingeladen wurdest, um mit den Jungs in Ibiza Party zu machen", ist rund um das Bild zu lesen. Oder Pepe der Frosch. Ein Frosch mit menschlichen Zügen. Einst unpolitisch, wird er mittlerweile von Rechtsextremisten und Neonazis als Meme genutzt, um zu mobilisieren.
Es sind Beispiele von Memes: Bilder, die durch Textelemente in neue, oft lustige Kontexte gerückt werden. Bilder, die in digitalen Umgebungen mittlerweile alltäglich sind. Und Bilder, die aufgrund ihrer Zugänglichkeit von verschiedensten politischen Lagern verwendet werden.
Humor als eine Art Schutzschild
Zum Beispiel von Caren Miesenberger. Sie nutzt Memes, um sich politisch, allen voran feministisch auszudrücken. Für die Berlinerin begann das Erstellen von Memes mit sexistischen Hasskommentaren, die sie auf einen ihrer Artikel erhielt. Ihre Reaktion: Memes produzieren und teilen. Und wenige Jahre später die Feminist Meme School gründen. "Memes sind eine herrschaftskritische Ausdrucksform", sagt Miesenberger. Als Journalistin weiß sie, wie schwierig es ist, Raum zu erhalten, um die persönliche Meinung zu artikulieren, und mehr noch, diese zu veröffentlichen.
Diesen für viele nicht nutzbaren Raum will sie im Zuge der Wienwoche den Teilnehmenden der Feminist Meme School eröffnen: In einer Art Meme-Redaktion setzen sich die temporären Redakteurinnen mit ihren Diskriminierungserfahrungen auseinander, transformieren ihre negativen Erlebnisse in einen politischen Kommentar. Das Ziel: Strukturelle Ungleichheiten hinter den Einzelerfahrungen aufdecken. Aus einem Unwohlsein doch noch irgendwie Kraft schöpfen. Humor als eine Art Schutzschild also. So bezeichnet die Journalistin und Publizistin Ingrid Brodnig eines der Potenziale, die dem Humor inne liegen: "Humor ist ein Schutzmittel, um Gehässigkeiten oder Erniedrigungen an sich abprallen zu lassen. Mit Humor zeige ich: Du würdest mich gerne fertigmachen, aber so leicht schaffst du das nicht."
Gleichzeitig zeigt Humor Absurditäten auf und wirkt entlarvend. Dies gilt vor allem für politische Prozesse, die sich oft leichter mit Humor als mit Nachrichten vermitteln lassen. Komplexe und nicht nahbare Ereignisse können auf das Wesentliche zusammengefasst und der Gesellschaft ein Spiegel vorgehalten werden.
Insbesondere Memes machen ernste und konfliktgeladene Kontexte wie die österreichische Innenpolitik nicht nur erträglicher, sondern zugänglicher, so Brodnig: "Indem man mit diesen leicht verständlichen Bildern ein Thema präsenter macht, liefert man zusätzlichen Gesprächsstoff und hackt die politische Debatte."
Politischer Kommentar durch Memes
Dieses Potenzial erkannte auch die Gründerin des Instagram Accounts @ibiza_austrian_memes - eine Meme-Seite, die im Zuge des Ibiza-Skandals entstand. Und zwar sehr schnell, wie die Betreiberin, die anonym bleiben will, erzählt: Das Ibiza-Video wurde veröffentlicht. Die ersten Memes dazu kamen im Umlauf, die sie - gemeinsam mit von ihr erstellten Memes - auf ihren privaten Instagram-Account postete.
"Im nächsten Moment eröffnete ich ein eigenes Meme-Profil. Das ist innerhalb von 15 Minuten passiert, am nächsten Tag hatte ich 5000 Follower", erzählt die Person hinter @ibiza_austrian_memes. Mittlerweile sind es bereits 17.300 Abonnenten. Allein diese Zahl zeigt die Wirkungskraft von Memes.
Für die Betreiberin des Instagram-Accounts sind Bilder zentrales Element politischer Diskurse. Dementsprechend eignen sich Memes, um politische Ereignisse pointiert wiederzugeben und Diskurse auf eine bestimmte Art zu "framen", sagt die Wienerin: "Memes sind nie ein ganzer Witz, sondern nur die Pointe. Sie erzeugen eine gefühlte Wahrheit: Wenn viele Menschen ein Meme liken und teilen, verfestigt sich bei mir als Betrachterin der Eindruck, dass es sich um ein wichtiges politisches Ereignis handelt, das ich ernst nehmen sollte." Durch Hintergrundinformationen und Quellen in den Bildunterschriften soll bei @ibiza_austrian_memes aus dieser "gefühlten Wahrheit" eine Realität geschaffen werden.
@ibiza_austrian_memes ist dabei nur eine von mehreren Seiten, die als Reaktion auf die österreichische Politik der letzten Monate entstand, beobachtet Miesenberger mit Bewunderung: "Für mich wurde Wien das Paradebeispiel einer Stadt, die einfach krass gut im Meme-Game ist. Ich selbst habe durch diese Memes ganz viel über österreichische Diskurse gelernt. Als Journalistin sollte ich auf anderen Ebenen recherchieren, aber dieser Lerneffekt ist durch Memes viel zugänglicher."
Menschenverachtende und wahlkämpfende Memes
Diese Zugänglichkeit ist auch ein Grund, wieso Memes nicht nur wie im Fall von Miesenberger als befreiender und humoristischer Umgang auf Hasskommentare genutzt werden können, sondern genauso bei jenen beliebt sind, die sexistischen, rassistischen bis zu rechtsextremen Hass im Netz verbreiten. In Brasilien soll etwa Jair Bolsonaro, vor seiner Wahl zum Präsidenten, WhatsApp-Gruppen mit unzähligen diskriminierenden Memes überschwemmt haben.
Im US-amerikanischen Wahlkampf wurde der derzeitige Präsident Donald Trump zum Meme: "Wie die Alt-Right-Bewegung ein Meme ins Weiße Haus gewählt hat", titelt beispielsweise die Amadeu-Antonio Stiftung in einer Analyse zu politischen Memes. Rechtsextreme und Neonazis nutzen Memes, um ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten - machen aus Pepe dem Frosch einen Hitler, einen SS-Soldaten, hetzen damit gegen Minderheiten. Erschreckende Entwicklungen, sagt Miesenberger, die jedoch nicht dem Medium selbst geschuldet sind. Vielmehr handle es sich um Entwicklungen, die in verschiedensten Medien stattfinden: "Memes sind eine niederschwellige Form der Artikulation. Memes brechen mit dem Elfenbeinturm des Journalismus und geben Menschen eine Möglichkeit ihre Meinung kundzutun. Die Artikulation von rassistischem oder sexistischem Gedankengut findet genauso in Kommentaren, in Tageszeitungen, im Fernsehen, am Stammtisch statt."
Feminist Meme School:
14.9., 17 bis 20 Uhr - Lazy Life, Burggasse 44, 1070 Wien.
Die Memes werden laufend auf dem Instagram-Account @feministmemeschool gepostet.
Mehr Infos: wienwoche.org