Österreich verschärft Forderungen gegenüber Türkei. | Für 24 EU-Länder nicht annehmbar. | Scheitern der Gespräche möglich. | Brüssel. Nur zwei Tage vor dem geplanten Beginn von Beitrittsgesprächen mit der Türkei sind die Fronten verhärtet. Österreich löste mit einer neuen Forderung Verblüffung aus. Im ersten Artikel des Verhandlungsrahmens solle der Satz: "Das gemeinsame Ziel der Verhandlungen ist der Beitritt" gestrichen werden. Dagegen soll lediglich das "offene Ende" der Verhandlungen festgehalten werden - ebenso wie die "stärkste mögliche alternative Anbindung" der Türkei für den Fall, dass die EU sie nicht aufnehmen kann.
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"Unmöglich", lautet das Kommentar in Diplomatenkreisen. Dabei gehe es um die "zentrale politische Frage" und die "Glaubwürdigkeit der Union". Es widerspreche dem einstimmigen Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs vom Dezember 2004, was erst im Juni von allen 25 Mitgliedsstaaten bekräftigt wurde. Auf diesem Standpunkt steht auch die britische Ratspräsidentschaft.
"Die Türkei wird nichts weniger als einen Vollbeitritt zur Union akzeptieren", betonte der türkische Premier Tayyip Recep Erdogan. Alles andere "hätte lebensbedrohliche Auswirkungen für die türkische Regierung", fürchtet ein hochrangiger Diplomat. Schweden und Dänemark erteilten der österreichischen Forderung ganz offen eine Abfuhr.
Chancen "50 zu 50"
Die Zustimmung Österreichs zum Verhandlungsrahmen ist aber unbedingt notwendig für den Start der Verhandlungen. Die Chancen dafür schätzte ein hochrangiger Diplomat "allenfalls 50 zu 50". Andere waren deutlich zuversichtlicher, sahen die Situation aber als "schwierig" an.
Österreich argumentiere mit der geänderten Lage seit dem Ratsbeschluss und der Verfassungskrise nach der Ablehnung des Vertragswerks in Frankreich und den Niederlanden. Daran habe die Türkei-Frage Mitschuld gehabt, heiße es aus Wien. Schließlich seien in vielen Ländern drei Viertel der Bevölkerung gegen einen Beitritt der Türkei.
Für diese Anliegen gebe es durchaus Verständnis, heißt es in Diplomatenkreisen. Undenkbar sei es dagegen, erst einen Beschluss zu fassen, und "dann drei Tage davor die Zielsetzung zu ändern". Das sei die gemeinsame Überzeugung von 24 Mitgliedsstaaten. Den österreichischen Wünschen sei im vorliegenden Kompromiss ausreichend Rechnung getragen.
Konkret zu klären seien sämtliche Fragen bei den Verhandlungen. "Da gibt es noch genug Möglichkeiten zu bremsen", sagte ein Diplomat. Mit welchem Zugeständnis Österreich noch zu überzeugen sein wird, bleibt ein Rätsel. Eine Verbindung mit dem seit März verschobenen Gesprächstermin mit Kroatien sei jedoch "in dieser Verbindung nicht mit einem Wort erwähnt worden".