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Autonomieausbau derzeit aktueller als Selbstbestimmung. | Aktivisten-Gnade: Warten auf Italiens Staatspräsidenten.
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"Wiener Zeitung":Sie haben in Wien Österreichs Spitzenpolitiker getroffen, darunter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Hat sich mit der neuen Regierung etwas am Verhältnis Österreichs zu Südtirol geändert?Luis Durnwalder: Nein, die bisherige Politik wird weitergeführt, das hat mir Alfred Gusenbauer bestätigt. Wir haben da auch in der Vergangenheit nie Probleme gehabt: Egal ob SPÖ oder ÖVP, die Parteien haben sich in Ihrer Haltung gegenüber Südtirol nie unterschieden und stehen zu den Vereinbarungen und der Autonomie.
Auch in Italien gibt es eine neue Regierung. Wie läuft es mit Rom?
Wir haben jetzt ein recht gutes Verhältnis mit der römischen Regierung. Im Gegensatz zur vorherigen Regierung gibt es keinerlei Anzeichen mehr dafür, dass man uns von unserer Autonomie etwas wegnehmen möchte.
Wann wäre dann die Schutzmacht Österreich gefragt?
Also wir werden sicher nicht wegen jeder Kleinigkeit zur Mama Österreich laufen und sagen: "Die geben uns das oder jenes nicht." Aber sollten einmal grundsätzliche Vereinbarungen nicht eingehalten werden - wenn unsere Rechte im Bereich Schulwesen oder Wirtschaft beispielsweise eingeschränkt würden - dann ist die Schutzmacht Österreich gefragt, denn die hat ja für uns den Vertrag mit Italien geschlossen.
Gibt es etwas Neues bei der Verankerung Südtirols in der österreichischen Verfassung?
Diese Diskussion ist ja durch die Wahlen unterbrochen worden. Erst vor kurzem wurde der Südtirol-Ausschuss im Parlament neu gegründet. Bis auf die Grünen sind sich alle einig, dass man den Südtirol-Bezug in die Präambel oder effektiv in den Text einbauen will.
Die letzte Regierung in Rom hat dagegen protestiert…
Sollte es da Widerstand geben, müsste Österreich klarstellen, dass es eine Verfassung machen kann, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Als Italien in seine Verfassung eingebaut hat, dass der Schutz der sprachlichen Minderheiten ein nationales Interesse ist, hat Rom ja auch nicht in Wien angefragt, ob man das einbauen darf.
Wie ist es derzeit eigentlich um die Selbstbestimmung bestellt, mit der Südtirol zwischen Italien, Österreich und der Unabhängigkeit wählen könnte?
Die ist ein Grundrecht, auf das man nicht verzichten kann. Die Frage ist vielmehr, ob man dieses Recht jetzt ausruft, wie es manche möchten. Das macht aber derzeit keinen Sinn, denn wir können nicht einerseits an der Vervollständigung und Absicherung der Autonomie arbeiten und andererseits die Selbstbestimmung ausrufen. Man kann ja auch nicht eine Gehaltserhöhung fordern und gleichzeitig sagen, dass man am nächsten Tag kündigt. Anders wäre es, wenn die Autonomie nicht eingehalten würde.
Gibt es Fortschritte beim Brenner-Basistunnel?
Wenn wir wirklich wollen, dass der Verkehr in Nord- und Südtirol reduziert wird, dann ist der Brenner-Basistunnel unumgänglich. Da braucht es Querfinanzierungen der einzelnen Länder zwischen Auto- und Eisenbahn. Wir sind uns mit Österreich einig, dass sich die EU daran auch beteiligen muss.
Die Frage ist nur, was die EU dazu sagt...
Bisher haben wir die Zusage von Brüssel, dass sie sich beim Probetunnel zu 50 Prozent beteiligen will und beim Bau zu 20 Prozent. Unser Ziel ist es, die Beteiligung im letzteren Fall von 20 auf 30 Prozent anzuheben. Dabei zählen wir auf die Unterstützung der Deutschen, denn die müssen ja auch ein Interesse daran haben, dass der Tunnel gebaut wird.
Ein weiteres offenes Kapitel ist die Begnadigung der Südtirol-Aktivisten.
Dabei geht es um zehn Personen, die großteils österreichische Staatsbürger sind. Wir möchten, dass da endlich ein Schlussstrich gezogen wird. Dabei setzen wir große Hoffnungen auf ein positives Ergebnis, wenn Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano im Juni Österreich besucht. Bundespräsident Fischer hat sich schon bereit erklärt ihn auf diese Problematik anzusprechen.
Luis Durnwalder ist seit 1989 Landeshauptmann von Südtirol. Der studierte Agronom und Jurist ist geschieden und Vater eines Sohnes. Seine Tochter ist vor fünf Jahren gestorben.