Während Großbritannien die Nachzahlung von 2,1 Milliarden Euro erst ein Jahr später tätigt, wartet Österreich auf 300 Millionen Euro Rückzahlung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Finanzminister Hans Jörg Schelling hat jüngst Verständnis dafür gezeigt, dass Großbritannien seine Nachzahlung ins EU-Budget - immerhin satte 2, 1 Milliarden Euro - erst im September 2015 (und nicht schon im Dezember 2014, wie es der geltenden Rechtslage entspräche) tätigen muss. Die Nachzahlung wurde fällig, weil die Wirtschaft auf den britischen Inseln seit 1995 stärker gewachsen ist als ursprünglich prognostiziert. Daraus ergeben sich Änderungen in der Berechnungsgrundlage des auf der Mehrwertsteuer und dem Bruttonationalprodukt basierenden EU-Beitrages für die Jahre 1995 bis 2013.
Dass heuer diese Neuberechnung auf Basis der tatsächlichen Wirtschaftsleistung und somit der überfällige Kontenausgleich ansteht, war schon lange bekannt - und wurde auch von den Londoner Vertretern in den EU-Gremien so mitbeschlossen. Umso unverständlicher ist die von Premier David Cameron an den Tag gelegte Empörung und Überraschung.
Das Ergebnis des politischen Geschreis aus London ist jedenfalls ein typischer EU-Kompromiss, wie er so nur in Brüssel beschlossen werden kann. Obwohl kein objektiver Grund für eine Stundung besteht, wird aus falsch verstandener Harmoniesucht ein Zahlungsaufschub gewährt. Eines bleibt dabei jedoch unbeachtet beziehungsweise wird wohlweislich nicht erwähnt: Jene Staaten, die bei der großen Kontobereinigung gleichzeitig eine Rückzahlung aus Brüssel bekämen (darunter Österreich mit immerhin 300 Millionen Euro Rücküberweisung, aber auch Deutschland mit 780 Millionen Euro oder Frankreich mit gar 1 Milliarde Euro), müssen dadurch gezwungenermaßen länger auf ihr Geld warten.
Nicht nur, dass Österreich dem Vereinigten Königreich damit faktisch 300 Millionen Euro (zinsfrei) stundet - einen Betrag, den Österreich dann wohl parallel bis September 2015 auch noch selber refinanzieren muss (de facto also am Kapitalmarkt ausborgen und dafür Zinsen zahlen muss). Im Mai 2015 erhält Großbritannien darüber hinaus aufgrund der Gesamtneuberechnung der EU-Mitgliedsbeiträge voraussichtlich auch noch 1 Milliarde Euro aus dem EU-Budget zurück (Ergebnis des "Britenrabatts", eines ominösen Zugeständnisses an die grundunzufriedenen Inselbewohner noch aus der Zeit der "Iron Lady" Margaret Thatcher). Dieses Geld kommt wiederum natürlich von den EU-Mitgliedern - etwa 2,3 Prozent davon aus Österreich.
Bevor Österreich also sein ihm längst zustehendes Geld in der Höhe von 300 Millionen Euro aus Großbritannien bekommt, muss es auch noch vorher etwa 23 Millionen Euro nach London bezahlen.
Warum eigentlich? Kann es sich Österreich in Zeiten knapper Kassen wirklich einfach so leisten, zusätzlich 300 Millionen Euro kurzfristige Schulden zu machen (und auch noch 23 Millionen Euro vorab berappen), nur um dem Vereinigten Königreich einen Gefallen zu tun? Ohne jegliche ökonomische Notwendigkeit? Bloß weil es London nicht in den Kram passt, seine finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen?
Wien sollte daher schleunigst auf die Einhaltung der geltenden Regeln pochen. Und der österreichische Finanzminister sollte seinen leichtfertigen und großzügigen Umgang mit dem Steuergeld überdenken.