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Wien - Weltstadt mit Lebensqualität

Von Reinhold Christian

Gastkommentare
Reinhold Christian ist Physiker und seit mehr als 40 Jahren beruflich und ehrenamtlich im Einsatz für Umwelt- und Naturschutz, Energieforschung, Erwachsenenbildung, Stadtplanung, Projektmanagement, Konzeptentwicklung, Politikberatung. Er ist unter anderem Präsident des Forums Wissenschaft & Umwelt, Vorsitzender von Umwelt Management Austria und Vizepräsident des Umweltdachverbands.
© FUW

Statt an der Stadtstraße Aspern festzuhalten, sollte der öffentliche Verkehr ausgebaut werden.


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Der Lobautunnel, die S1 und die Stadtstraße seien alternativlos, meint der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Ludwig. Die ehemalige Umweltstadträtin und nunmehrige Mobilitätsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) assistiert: Ohne die Stadtstraße könnten leistbare Wohnungen für 60.000 Menschen nicht gebaut werden.

Die Stadtstraße Aspern - als Verbindung zwischen der Südosttangente (A23) und der S1 - soll 3,2 Kilometer lang und bis zu 50 Meter breit werden. Zwei Tunnel sind vorgesehen. Die Stadtstraße für sich allein betrachtet führt ins Nichts, buchstäblich auf die grüne Wiese. Aktuelle Kostenschätzung: 460 Millionen Euro. Der alternativlose Lobautunnel wird nun doch nicht gebaut.

Es gibt Alternativen. Der "Umweltverbund" (öffentliche Verkehrsmittel, Radfahren, zu Fuß gehen) findet sich in zahlreichen Strategien, Programmen und Konzepten - auch der Stadt Wien, die unter anderem den Anteil des Pkw-Verkehrs bis 2030 von derzeit 27 Prozent auf 15 Prozent fast halbieren will.

Straßenbau führt zu mehr Autoverkehr. Das bedeutet höheren Energieverbrauch, Bodenversiegelung, Emissionen (nicht nur von Treibhausgasen), Lärm, Stau, Gefahren - und natürlich höhere Kosten. Rückbau statt Ausbau wäre eigentlich angesagt.Mit der U-Bahn-Linie U2 hat das Stadtentwicklungsgebiet im 22. Bezirk bereits ein hochrangiges Angebot an öffentlichem Verkehr (ich bin durchaus stolz darauf, um die Jahrtausendwende dazu beigetragen zu haben, dass nicht die U6 auf den Parapluiberg, sondern die U2 in die Donaustadt verlängert wurde). Zahlreiche weitere Möglichkeiten wurden bisher vernachlässigt oder versäumt: Straßenbahnlinien in die Seestadt Aspern und eine Verlängerung nach Groß-Enzersdorf, Taktverdichtungen von Schnellbahn und U2, Hochleistungs- und Schnellbussysteme, Nutzung des "Opel-Gleises" für das Gewerbe, Rad- und Fußwegenetze . . .

Die angekündigten "autobahnabhängigen" Wohnbauvorhaben liegen großteils entlang der U2 und sind auch für den Autoverkehr erschlossen. Adaptierungen mögen notwendig und sinnvoll sein, Autobahnringe sind es aber sicher nicht.

Ganz im Gegenteil: Gerade in Wien bieten viele lebens- und liebenswerte Grätzel - und ganze Bezirke! - Wohlbefinden in der Stadt, im öffentlichen Raum. Man kann dort tägliche Besorgungen großteils im Umfeld, am besten zu Fuß, erledigen. Voraussetzung dafür ist die Funktionsmischung von Wohnen mit Angeboten für Arbeit, Einkauf und Versorgung, Freizeit sowie Bildung statt monotonen Wohnbaus. Verweilen im öffentlichen Raum ist hier attraktiv. Ein Charakteristikum der Gestaltung eines solchen Gebietes nenne ich "Ausbaugeschwindigkeit". Sie soll sich an den Möglichkeiten des Menschen und nicht des Autos orientieren.

Urbane Stadtentwicklung so zu planen, wäre vorrangige Aufgabe der Planungsstadträtin. Stattdessen wurden jugendliche Besetzer, aber auch Wissenschafter, die nie vor Ort waren, mit Klagen und horrenden Schadenersatzforderungen bedroht. Gespräche der Stadt Wien mit ihnen wurden jetzt angekündigt. Also doch ein Weihnachtsfrieden à la Hainburg 1984? Nun, wir wollen das hoffen.