Die Wiener Stadtwerke AG baut den Vorstand um. Verluste im Energiegeschäft führen zu harten Maßnahmen.
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Wien. Für kommunale Versorger ist das derzeitige Umfeld am Energiemarkt das Gegenteil von lustig. Nach EU-Berechnungen haben die europäischen Energieversorger in den vergangenen Jahren insgesamt Abschreibungen in Höhe von 500 Milliarden Euro vornehmen müssen. In Deutschland - so eine aktuelle Roland-Berger-Studie - steht jedes fünfte Stadtwerk vor der Pleite, jenes in der ostdeutschen Stadt Gera ist es bereits. Hohe Energiepreise im Einkauf, und in der Produktion, doch gedrückte Preise beim Endkunden - ein Teufelskreis.
Auch in Österreich ist die Situation bei vielen Stadtwerken bedrohlich - auch bei den Wiener Stadtwerken. Mit 16.000 Mitarbeitern ist der Kommunalbetrieb einer der größten Arbeitgeber Österreichs.
2013 wurden alle Kraftwerke auf Null abgeschrieben
Die Malaise am Energiemarkt führte 2013 zu einem Verlust in Höhe von 330 Millionen Euro. Nun zieht der Aufsichtsrat der Holding die Notbremse und krempelt den Vorstand um. Heute, Freitag, wird ein vierter Vorstand für den Energiebereich ausgeschrieben. Bis der gefunden ist, soll der seit Juni als Generaldirektor installierte Martin Krajcsir den Bereich leiten. Marc Hall, bisher zuständig, soll andere Aufgaben übernehmen. Vervollständigt wird die Geschäftsleitung durch Gabriele Domschitz, die für den Bereich Mobilität (Wiener Linien), zuständig ist. Als Favorit für den Posten wird Konzern-intern Robert Grüneis gehandelt, der bisher Chef der Stadtwerke-Tochter Wien Energie ist.
Nach dem Umbau des Vorstandes dürfte auch dem Konzern ein solcher bevorstehen. Der (publizierte) Horror-Verlust 2013 ging im Wesentlichen auf die komplette Abschreibung der Kraftwerke zurück. "Wir machen aus teurem Gas billigen Strom", ist aus den Stadtwerken zu hören. Mit der Abschreibung in der Bilanz 2013 droht von dieser Seite heuer keine Gefahr mehr. Allerdings läuft das operative Geschäft nach wie vor schleppend - der milde Winter bewahrte die Stadtwerke vor größeren Verlusten. Und im September wird der Fernwärme-Preis - wie berichtet - um 9 Prozent angehoben.
Gemeinde Wien hätte gerne wieder eine Dividende
Denn die Stadtwerke sind nicht nur der wesentliche kommunale Dienstleister Wiens (Energie, Verkehr, Friedhöfe, Wien-IT), sondern auch für das Gemeindebudget von Bedeutung. 2011 schütteten die Stadtwerke noch Dividenden in Höhe von 16,65 Millionen an die Stadt aus. 2012 und 2013 entfiel die Dividende wegen der hohen Verluste. Deren Abdeckung ließ auch die Eigenkapitalquote auf nunmehr 34 Prozent schmelzen, was im Aufsichtsrat Besorgnis auslöste. In diesem Gremium, das von Magistratsdirektor Erich Hechtner geleitet wird, sitzen unter anderen noch Stephan Koren (Volksbank-Chef), Werner Muhm (Arbeiterkammer) und Sigrid Oblak (Wien Holding).
Heuer soll es wieder einen leichten Gewinn geben, ob es für eine Dividende reicht, wird sich weisen. Denn die Wiener Stadtwerke stehen vor einem ehrgeizigem Investitionsprogramm. In den kommenden fünf Jahren sollen vier Milliarden Euro investiert werden, die Hälfte davon in den öffentlichen Verkehr. Eine Milliarde ist für den Ausbau der Energienetze vorgesehen.
Grund für diese Anstrengung ist die - allerdings nicht ganz neue - Erkenntnis, dass Wien in den kommenden Jahren stark wachsen wird. Seit 2000 ist die Stadt um 200.000 Einwohner gewachsen, bis 2030 sollen noch einmal 250.000 dazukommen.
Herausforderung durch Bevölkerungswachstum Wiens
Das stellt Stadtplaner, aber auch die kommunalen Versorger vor erhebliche Herausforderungen. Rathaus-intern wird von Beamtenseite eingeräumt, dass die Politik erst spät auf diese Entwicklung reagierte. Das Vorzeigeprojekt "Seestadt Aspern", an dem die Wien Energie mitarbeitet, reicht jedenfalls bei weitem nicht aus, um das Bevölkerungswachstum Wiens zu decken.
Der Ökonom der Stadt Wien, Klemens Himpele, hat bereits im März darauf hingewiesen, dass dieses Wachstum hohe Investitionen erfordere. Da der Schuldenstand Wiens aber nur 5,5 Prozent betrage, seien diese darstellbar. Für die Bilanz der Wiener Stadtwerke Holding AG, wie das Unternehmen offiziell heißt, ist das nicht so locker zu verkraften. Der Umbau des Vorstandes, der dem Vernehmen nach eher vom Aufsichtsrat getragen wurde denn von der Stadtregierung, soll den Konzern jedenfalls aus der Talsohle führen.
Die Stadtwerke kämpfen noch an einer anderen Front: Die auf EU-Ebene vorbereitete Eisenbahn-Liberalisierung wurde zwar im letzten Moment verhindert. Sollte sie dennoch kommen, steht etwa die Stadtwerke-Tochter Lokalbahnen AG vor einiger Planungsunsicherheit. Jede weitere Erhöhung der Frequenz kostet Geld (neue Züge). Wenn diese Linien EU-weit ausgeschrieben werden müssten, wäre diese Investitionen gefährdet, da ein Konkurrent sie erhalten könnte.