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Wiener Ärzte sind streikbereit

Von Ina Weber

Politik

Umfrage-Ergebnis: Rund 93 Prozent für Kampfmaßnahmen, wenn sich die Rahmenbedingungen aufgrund des neuen Arbeitszeitgesetzes nicht verbessern - Ärztekammer: Zu wenige Betten in den zentralen Notaufnahmen.


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Wien. "Man kann nicht weitere Nachtdienste reduzieren, wenn die Rahmenbedingungen nicht passen." Thomas Szekeres ist verärgert. Und nicht nur er. Seit Sonntag weiß der Präsident der Wiener Ärztekammer mehr als die Hälfte der Spitalsärzte hinter sich: 2146 der rund 3500 Ärzte des Krankenanstaltenverbundes (KAV) stimmten für mögliche Kampfmaßnahmen. Die Frage, die den Ärzten in der Online-Abstimmung gestellt wurde, lautete: "Würden Sie sich aktiv an Protestmaßnahmen bis hin zu einem Streik im Wiener Krankenanstaltenverbund beteiligen?"

Die Beteiligung bei der Umfrage betrug laut Kammer 63,49 Prozent. 2313 Stimmen wurden abgegeben. 92,78 Prozent votierten dafür. Lediglich 86 Ärzte erklärten, sich gegebenenfalls nicht an einem Streik beteiligen zu wollen, 81 Stimmen waren ungültig.

Ärzte gegen Ärzte:Angst gegen Zuversicht

Für Szekeres ein gutes Ergebnis, für den KAV und die Stadt Wien wird es enger. Die Verhandlungen aufgrund der Einführung des neuen Ärztearbeitszeitgesetzes - unter anderem reduzierte Arbeitszeit - zwischen dem KAV und der Wiener Ärzteschaft laufen nicht besonders gut. Kurz vor Sommerbeginn spitzte sich die Lage zu. Ab 1. Juli wurden Nachtdienste reduziert, was laut Ärztekammer die Belegschaft schon jetzt unter starken Druck stellt. Natürlich habe man einen Vertrag, sagte Szekeres, und zu dem stehe er auch. Doch darin enthalten seien auch Rahmenbedingungen, die seitens des KAV nicht umgesetzt würden.

Großer Streitpunkt sind die zentralen Notaufnahmen (siehe Kasten). "An allen Spitälern sieht es nicht besonders gut aus", so Szekeres. So gebe es etwa im Wilhelminenspital zu wenige Betten in der Notaufnahme. Dadurch würden die Abteilungen nicht genügend entlastet und die Reduktion der Nachtdienste sei somit ein großes Problem. Szekeres fordert den KAV und die Stadt auf, auf die weitere Reduktion von 40 Nachtdiensten ab 1. September zu verzichten. Und: Die Einführung von Schichtdiensten dürfte nicht autoritär verordnet werden, sondern müsse mit den Ärzten abgesprochen werden. Der KAV wollte laut Szekeres auch anonyme Befragungen der Ärzte durchführen, habe dies aber nicht gemacht.

KAV will Dialog mitÄrzten intensivieren

Der KAV sieht das naturgemäß anders. Die Streikbereitschaft der Ärzte sei nicht nachvollziehbar: Die neuen Dienstzeiten seien von allen vereinbart worden, betonte KAV-Generaldirektor Udo Janßen einmal mehr am Montag. Mehr als ein Drittel aller Abteilungen würden bereits jetzt nach neuen Dienstzeiten arbeiten, ein Drittel stelle gerade um, und das letzte Drittel folge nun im Herbst. Janßen räumte nach dem Umfrageergebnis jedoch ein, dass es hier offenbar noch einiges an Kommunikationsbedarf gebe. "Wir werden daher, gemeinsam mit den Ärztlichen Direktoren, den Dialog mit den Ärzten in unseren Spitälern intensivieren", so Janßen.

Die Stadt Wien muss reagieren; Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely will sich heute, Dienstag, dazu äußern. Sie hat bis dato klargemacht, dass der Fahrplan eingehalten würde. Der Wiener SPÖ-Gemeinderatsabgeordnete Kurt Wagner sagte am Montag, dass das vereinbarte Paket umzusetzen sei. Die Wiener Ärztekammer und die Opposition würden es stattdessen zum Politikum machen.

Die Opposition warf der Stadträtin durch die Bank Unvermögen vor. Das Ergebnis sei "einzig und allein das Ergebnis einer verfehlten Gesundheits- und Personalpolitik in Rot-Grün", so FPÖ-Gesundheitssprecherin, Dagmar Belakowitsch-Jenewein.

In den Spitälern heißt es derweil Ärzte gegen Ärzte. Die Umfrage zeigt, dass 58,9 Prozent aller KAV-Ärzte deklariert gegen die Umstellung sind. Für Lothar Mayerhofer, ärztlicher Direktor im Donauspital, kam das Ergebnis allerdings nicht überraschend. Vor allem ältere Ärzte hätten Schwierigkeiten mit der Arbeitszeitumstellung. "Sie wollen auf gar keinen Fall ihre Ordinationen verschieben", sagte er zur "Wiener Zeitung". Der Befürworter der neuen Arbeitszeit ist aber dennoch zuversichtlich, dass die Umstrukturierung gelingen wird. "Es geht darum, sich effizient neu aufzustellen." Bei den Nachtdiensten würde nur dort reduziert, wo es auch möglich sei. "Davor wird bei uns mit der Belegschaft mehrfach gesprochen", so Mayerhofer.

Doch sehr viele Ärzte teilen diese Zuversicht nicht. Die Spitäler seien überlastet, Personal und Nachtdienste würden zunehmend reduziert. Wie das gehen soll, fragen sich viele. Die Frustration der Mediziner werde an allen Ecken und Enden größer, so ein Arzt, der nicht genannt werden will. Am Papier würde die Verteilung einfach sein, die Praxis in einer Zeit der wachsenden Bevölkerung sehe aber anders aus.

In der Vereinbarung zum Paket "Dienstzeitmodell und Besoldung der Ärzte im KAV" wurde "die Einführung von zentralen Notaufnahmen" beschlossen. Die Aufnahmen sollen nicht mehr an den Stationen direkt, sondern zentral in diesen Notaufnahmen erfolgen. Die Patienten verbleiben dort und werden von dort entweder entlassen oder frühestens am folgenden Tag auf die entsprechenden Abteilungen verlegt.

Krankenhaus Hietzing: Pilotprojekt mit derzeit 15 Betten.

Wilhelminenspital: Pilotprojekt mit derzeit 8 Betten.

Krankenhaus Floridsdorf:

derzeit 15 Betten.

Rudolfstiftung: ab Herbst 2016 werden 24 Betten installiert.

Donauspital: derzeit baulich noch nicht möglich, erst nach Etablierung des Augenzentrums in der Rudolfstiftung (bis 2018) werden Räume dafür frei.

Kaiser-Franz-Josef-Spital: derzeit baulich noch nicht möglich. Geplant sind 20 Betten. Ab voraussichtlich September soll dort aber in der Notaufnahme ein vierter Nachtdienst installiert werden. Andere Zentrale Notaufnahmen werden im Zug der Umsetzung des Medizinischen Masterplans umgesetzt. Bei der Schaffung und Umstrukturierung sollen sich räumliche Bedingungen ergeben, die diese dann ermöglichen.

Streitpunkt: Zentrale Notaufnahmen