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Der Kabarettist Alfred Dorfer hat einmal den Wiener Charakter sinngemäß beschrieben als wunderbar perfekte Symbiose der beiden Begriffe Konsens und Paralyse. Tatsächlich hat das klare Nein zur Olympia-Bewerbung etwas zutiefst Provinzielles. Baustellen, Verkehrschaos, großes Geldausgeben - all diese Dinge mögen wir nicht, haben sich ganz offensichtlich viele gedacht.
Ob diese stimmungstechnische Grundierung für die rot-grüne Wiener Stadtregierung zu drehen gewesen wäre, ist müßig zu fragen. Es lohnt sich aber ein Blick nach München. Die bayerische Hauptstadt will 2022 die Winterspiele ausrichten, im November wird es auch dort ein Plebiszit darüber geben. Der Bürgermeister der Stadt, der Sozialdemokrat Christian Ude, hat dafür mit allen betroffenen Sportorganisationen (inklusive Alpenverein) ein Lobbying-Büro eröffnet. In den kommenden Monaten soll auf diese Weise und mit vereinten Kräften den Münchnern ein Ja zur Olympia-Bewerbung schmackhaft gemacht werden.
Nun mag ja stimmen, dass sich die Deutschen grundsätzlich gründlicher auf alles Mögliche vorbereiten, aber das hätten Wien und das Österreichische Olympische Comité auch zusammengebracht. Tatsächlich stolperten wohl viele Bürger in Wien eher unvorbereitet in die Volksbefragung. Es gab zwar Informationsmaterial, aber das musste man sich selbst besorgen. In München wird es offenbar mund- und fristgerecht vorbereitet und unter die Leute gebracht.
Nicht nur die Stadtregierung muss sich also fragen lassen, ob genug getan wurde, um die Wiener auf eine Olympia-Bewerbung einzustimmen. Auch die Sportverbände und das Olympische Comité waren dabei nicht gerade deutlich zu erkennen.
Eine positive Interpretation auf das Ergebnis der Befragung lautet daher: Die Skandale der Vergangenheit haben die Wiener misstrauisch gemacht (das fällt ihnen eh leicht). Da der prototypische Wiener natürlich davon ausgegangen wäre, dass die Bewerbung erfolgreich sein würde, wären die veranschlagten Kosten für die Großprojekte locker verdoppelt worden - siehe Flughafen.
Sehen wir es also positiv: Das Nein zu Olympia verhindert womöglich künftige Steuererhöhungen oder Sparpakete. Aber ob diese Interpretation wirklich stimmt?