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Wiener Christkindl als Genderprojekt

Von Edwin Baumgartner

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Am Sonntag bin ich dem Christkindl begegnet. Da stand es: gülden gewandet und gülden gelockt und mit strahlendem Lächeln. Eine junge - Moment mal: Frau? Ja, schon. Aber...

Habe ich da etwas in falscher Erinnerung? Oder liegt im "l" die Bewältigung des Christkind-Problems für die Generation Gender-Problematik? Weil ja dieses "l" aus dem Christkind, das ja eindeutig ein Bub war, ein (Achtung: "l") Mäderl macht? Vielleicht schreibt ja die Stadt Wien eine neue Jesus-Genealogie: Der Weihnachtsmann und das Wiener Christkindl (das mit "l") sind sozusagen die Eltern vom Christkind (von dem ohne "l"). Freilich hätte der Weihnachtsmann in diesem Fall eine Haftstrafe wegen Verführung Minderjähriger zu gewärtigen. Was andererseits nicht schade wäre, säße dieser behäbige US-Import hinter schwedischen Gardinen.

"Das Christkindl ist doch nicht das Christkind", klärt mich indessen eine christkindlkundige Kollegin auf. "Das Christkindl ist ein Engerl, und Engerl waren schon immer weiblich." Woraus ich folgere, dass sich die Genderproblematik also längst (von wegen "schon immer") auf die Engel ausgeweitet hat. Eigentlich klar: Michaela und Raphaela sind immerhin vornamenlegitimiert. Soll ich nun auf eine "Uriela" pochen? Oder lieber ganz leise darauf hinweisen, dass so ein sanftes Engerl-Wesen - Frauen können brutal sein! - laut 2. Buch Könige im Alleingang in einer Nacht 185.000 assyrische Soldaten tötete? Angesichts dessen ist es mir schon lieber, wenn das Christkindl ein Christkindl bleibt. Wenn auch genderproblemverdächtig eines mit "l".